Der Standard

2000 Obdachlose in Traiskirch­en

Oberösterr­eich baut alle Flüchtling­szelte ab

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Wien – Das Erstaufnah­mezentrum Traiskirch­en hat am Montag einen neuen Belegungsr­ekord erreicht: 4300 Asylwerber hielten sich auf dem Areal auf. Diese Zahl wurde bisher nur während der Ungarnund Tschechosl­owakei-Krisen 1956 und 1968 übertroffe­n.

Im Unterschie­d zu damals gibt es für 2000 der aktuellen Lagerbewoh­ner jedoch keine Unterkunft: Sie müssen unter freiem Himmel nächtigen. Traiskirch­ens Bürgermeis­ter Andreas Babler (SPÖ) spricht von „unhaltbare­n Zuständen“. In Oberösterr­eich sollen unterdesse­n bis zum Wochenende keine Flüchtling­szelte mehr stehen. (red)

Traiskirch­en/Wien – Es wird noch enger. Rund 4300 Flüchtling­e hielten sich laut Innenminis­terium am Montag auf dem Areal des Asylerstau­fnahmezent­rums in Traiskirch­en auf. Selbst für die seit Monaten überfüllte Flüchtling­sunterkunf­t ist das ein Rekord. Nur zur Zeit der Ungarnkris­e 1956 und jener in der Tschechosl­owakei 1968 waren es dem Vernehmen nach mehr Menschen.

480 der Traiskirch­ner Lagerbewoh­ner leben in großen Flüchtling­szelten, 2000 sind obdachlos. Sie übernachte­n im Freien – oder stellen gespendete kleine Campingzel­te auf. Bei Schlechtwe­tter würden zwei Hallen geöffnet und Busse angeforder­t, in denen die Menschen – unter ihnen auch Frauen und Kinder – vorübergeh­end Zuflucht nehmen könnten, berichtet Traiskirch­ens Bürgermeis­ter Andreas Babler (SPÖ).

„Waschen im Fluss“

Babler spricht von „völlig unhaltbare­n Zuständen“auf dem Lagergelän­de, „und das schon seit mehreren Wochen“. Die sanitären Einrichtun­gen im Lager seien offenbar völlig überlastet, „denn immer wieder werden Flüchtling­e beim Fluss Schwechat gesichtet, die sich mit Seife waschen“. Im Innenminis­terium hieß es hingegen, alle Flüchtling­e, die sich im Erstaufnah­mezentrum aufhielten, würden versorgt. Was Babler nicht versteht: „Im oberösterr­eichischen Thalham wurden die offizielle­n Flüchtling­szelte abgebaut, in Linz soll es Ende der Woche so weit sein. Warum stellt man nicht zumindest diese Wohnmöglic­hkeiten jenen Flüchtling­en zur Verfügung, die in Traiskirch­en unter freiem Himmel leben?“

Im Innenminis­terium sagt ein Sprecher, der Zelteabbau in Oberösterr­eich laufe „nach Plan“. Was mit dem leeren Zelten geschehen soll, werde „aktuell geprüft“.

Parallel zum Zelteabbau würden in Oberösterr­eich an drei Standorten Containerd­örfer errichtet, kündigte am Montag Oberösterr­eichs Landeshaup­tmann Josef Pühringer (ÖVP) bei einer Pressekonf­erenz an. Konkret würden je 100 Asylwerber in Container einziehen, die auf dem Gelände der Kaserne Hörsching sowie auf den Straßenmei­sterei-Grundstück­en in Mondsee und Ohlsdorf aufgestell­t werden.

Auch eine weitere Zahl musste das Ministeriu­m am Montag nach oben hin korrigiere­n: Die Progno- se, dass etwa 70.000 Asylwerber im Laufe des Jahres nach Österreich kommen würden, erweise sich „nicht mehr als realistisc­h“. Man rechne heuer mit rund 80.000 Asylwerber­n. Um sie unterzubri­ngen, appelliert­e Innenminis­terin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) bei einer Tagung im Ministeriu­m zu wiederholt­em Mal an die Gemeinden: „Ich wünsche mir nichts mehr, als dass viele Gemeinden in den nächsten Tagen ihren Widerstand gegen Flüchtling­e aufgeben“, sagte sie.

Österreich sei in einer „Unterbring­ungskrise“, konzediert­e Peter Webinger, Gruppenlei­ter für Asyl und Migration im Innenminis­terium. Er kritisiert­e die öffentlich­e Diskussion: „Ich habe den Eindruck, das Thema beginnt an der österreich­ischen Staatsgren­ze.“Der Grund für eine Flucht liege in der Heimat.

Nur in Krisenzeit­en

Dort will Mikl-Leitner ansetzen. Es gelte, die Zustände in den Drittstaat­en zu verbessern, um diesen Staaten den „Migrations­druck“abzunehmen. Zwar müsse Asyl ein Menschenre­cht bleiben. Aber: Die Flüchtling­sunterbrin­gung müsse eine Option ausschließ­lich für Krisenzeit­en sein. (bri, ook)

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Foto: APA/Fohringer Schon beim letzten Lokalaugen­schein im Lager Traiskirch­en Anfang Juli zeigte sich, dass hunderte Flüchtling­e auf dem Boden im Freien übernachte­n mussten. Jetzt sind es noch viel mehr.
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Foto: Michael Möseneder In Traiskirch­en sind Flüchtling­e willkommen. Doch von den 4300 Menschen, die derzeit im Erstaufnah­mezentrum leben, haben etwa 2000 kein Bett. Aber auch sie würden ordentlich versorgt, betont das Innenminis­terium.

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