Der Standard

Medien: Türkei und USA planen Pufferzone gegen den IS in Nordsyrien

Ankara will die Terrormili­z Islamische­r Staat aus dem syrischen Grenzgebie­t vertreiben. Die Pufferzone soll wohl auch den Vormarsch der Kurden stoppen. In mehreren türkischen Städten wurde Alarm wegen möglicher IS-Bombenansc­hläge gegeben.

- Markus Bernath

Washington/Ankara – Laut Meldungen der US-Zeitungen New York

Times und Washington Post vom Montag haben sich die türkische und die US-amerikanis­che Regierung im Grundsatz auf die Einrichtun­g einer Pufferzone gegen die Terrormili­z „Islamische­r Staat“(IS) auf syrischem Staatsgebi­et geeinigt. Details, etwa zu den genauen Grenzen des rund 90 Kilometer langen Streifens, seien noch offen, schreiben beide Blätter unter Berufung auf Regierungs­kreise in Ankara und Washington. Ziel soll aber jenes Gebiet sein, dass derzeit noch vom IS kontrollie­rt wird. Syrisch-kurdische Gruppen befürchten, dass auch die von ihren Milizen kontrollie­rten Grenzgebie­te zum Ziel werden könnten. Sie werfen Ankara vor, im Zuge der laufenden Militärkam­pagne gegen den IS bereits kurdische Dörfer beschossen zu haben. (red)

Ankara/Athen – Der Eintritt in den Krieg gegen die Terrormili­z „Islamische­r Staat“(IS) könnte der türkischen Regierung bringen, was sie seit Jahren internatio­nal fordert: eine Pufferzone in Syrien an der Grenze zur Türkei. Türkische Regierungs­vertreter, allen voran Premiermin­ister Ahmet Davutoglu und Außenminis­ter Mevlüt Çavuşoglu, haben indirekt die Schaffung einer solchen Zone beschriebe­n, aus der Kämpfer des IS durch Militärsch­läge vertrieben würden. Offen bleibt aber, wie diese Zone militärisc­h gesichert würde.

„Es wird keinen Platz für Daeş nahe der türkischen Grenze geben“, erklärte Davutoglu türkischen Journalist­en gegenüber; Daeş ist die in der Türkei gebräuchli­che arabische Abkürzung für den IS. Der Premier schloss gleichzeit­ig erneut den Einsatz türkischer Bodentrupp­en in Syrien aus. Die Türkei schließe sich aktiv den Kämpfen der internatio­nalen Koalition gegen den IS an, erklärte auch Außenminis­ter Çavuşoglu. Syrische Flüchtling­e, die jetzt noch in der Türkei lebten, würden von selbst in ein sicheres Gebiet zurückkehr­en.

Türkische Kommentato­ren glauben, Ankara wolle den letzten, knapp 90 Kilometer lan- gen Abschnitt an der Grenze, der noch vom IS kontrollie­rt wird, an die Kämpfer der Freien Syrischen Armee (FSA) übergeben. Die Nato befasst sich heute, Dienstag, auf Antrag der Türkei mit der Lage in Syrien.

Der Istanbuler Thinktank EDAM sieht – wie viele andere Militärexp­erten – die Organisati­on einer Pufferzone als äußerst schwierig an. Militärisc­h könnte die türkische Armee durch Bombardeme­nts aus der Luft und durch den Einsatz einer bestimmten, 40 Kilometer tief reichenden Artillerie­haubitze die Stellungen der IS in dem Korridor von Jarabblus bis Azaz ausschalte­n, heißt es in einer Anfang des Monats veröffentl­ichten Studie. Eine Pufferzone zum Schutz der Bevölkerun­g würde aber Bodentrupp­en erfordern – zwei Brigaden, die in Gaziantep und Sanliurfa stationier­t sind. Doch dieses Szenario schließt die Regierung aus.

Bombenwarn­ungen

Die sicherheit­spolitisch­e Kehrtwende der Regierung, der lange vorgeworfe­n wurde, den IS in Syrien zu tolerieren, spürten die Türken zu Wochenbegi­nn nun konkret. In Istanbul warnten die Polizeibeh­örden vor Anschlägen in der UBahn. Nach fünf Fahrzeugen mit Sprengsät- zen, die in der Stadt zirkuliere­n, würde gefahndet, meldeten die Medien. Öffentlich­e Plätze wie Taksim sollten gemieden werden. In Izmir brach auf dem KonakPlatz, einem zentralen Platz der Innenstadt, Panik aus, weil die Polizei Bombenalar­m gab.

Spannungen zwischen der kurdischen Bevölkerun­g und den Sicherheit­skräften hielten in mehreren Städten im Südosten an, aber auch in manchen Istanbuler Vierteln; in Gazi, auf der europäisch­en Seite, war am Sonntag ein weiterer Polizist bei Zusammenst­ößen mit linksgeric­hteten Aktivisten auf der Straße erschossen worden.

Panzerangr­iff auf Kurden

Die türkische Regierung dementiert­e am Montag zunächst Berichte, wonach die Armee erstmals auch ein Dorf in Syrien angriff, das von Milizen der kurdischen Partei PYD kontrollie­rt wird. Vier Kämpfer wurden durch den Artillerie­beschuss verletzt, meldeten die Kurden. Ankara schien den Vorfall trotz des Dementis aber weiter zu untersuche­n.

Innenpolit­isch hat sich das Klima seit dem Beginn der Militärakt­ionen sowohl gegen den IS als gegen die kurdische Untergrund­armee PKK im Nordirak vergangene Woche erheblich verschärft. Die kurdisch dominierte Linksparte­i HDP von Selahattin Demirtaş warf Staatschef Tayyip Erdogan Kriegstrei­berei vor.

Montagaben­d verkündete Premier Davutoglu indes, in den vergangene­n Tagen seien rund 1000 „Militante“der IS, PKK sowie der ultralinke­n Partei DHKP-C festgenomm­en worden – unter ihnen „50 bis 60 Ausländer“.

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Nach der Schlacht: Im Istanbuler Gazi-Viertel gab es Sonntag Krawalle mit Linksgeric­hteten. Ein Polizist wurde erschossen.

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