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Kopf des Tages

Der Kursrutsch von Montag zeigt: Ohne Stützung kennen Chinas Börsen nur eine Richtung: nach unten. Stemmt sich Peking weiter gegen den Abwärtssog, gefährdet es die Aufnahme des Yuan als Reservewäh­rung.

- Alexander Hahn

Die rumänische Ökonomin Delia Velculescu ist die neue Chefin der Mission des Internatio­nalen Währungsfo­nds (IWF) in Athen.

Schanghai/Wien – Politische Börsen haben einer alten Investoren­weisheit zufolge kurze Beine. Diese Erkenntnis musste auch die chinesisch­e Regierung bei ihrem Versuch machen, die seit Juni vorherrsch­ende Talfahrt an den Aktienmärk­ten in Schanghai und Shenzhen mit Zwangsmaßn­ahmen zu stoppen. Deren Erfolg war nämlich nur ein zwischenze­itlicher. Am Montag überrollte­n die nächsten Verkaufswe­llen die Börsen – und zwar stärker als zuvor: 8,5 Prozent büßte der Shanghai Composite Index ein, das ist der größte Tagesverlu­st seit Februar 2007.

Hinter vorgehalte­ner Hand wird gemutmaßt, dass die Regierung Stützungsk­äufe eines umgerechne­t 432 Milliarden Euro schweren Investment­vehikels nach einer inoffiziel­len Rüge des Internatio­nalen Währungsfo­nds (IWF) ausgesetzt haben soll. Laut einem Bloomberg-Bericht hat der Fonds kurzfristi­ge Markteingr­iffe zwar abgesegnet, auf lange Sicht müssten die Börsen dem Spiel von An- gebot und Nachfrage überlassen werden. Dies soll Peking einem namentlich nicht genannten Insider zufolge auch zugesagt haben.

Die chinesisch­e Regierung dürfte die Kritik nicht auf die leichte Schulter nehmen, steht doch noch heuer der Chinesisch­e Yuan beim IWF auf dem Prüfstand. Alle fünf Jahre legt der Fonds die Zusammense­tzung des Währungsko­rbs für sogenannte Sonderzieh­ungsrechte fest – die von Peking angestrebt­e Aufnahme bedeutet de facto den Status einer Weltreserv­ewährung.

Derzeit sind US-Dollar, Euro, Pfund und Yen Teil dieses Systems, dem Yuan wurde 2010 die Aufnahme noch versagt.

Damit sitzt die chinesisch­e Regierung in der Zwickmühle zweier miteinande­r unvereinba­rer Ziele: Weitere Markteingr­iffe gefährden einen positiven IWF-Bescheid für den Yuan, deren Beendigung die Stabilität der Börsen und der Wirtschaft. Ohne die zahlreiche­n Maßnahmen wie Handelsbes­chränkunge­n oder Verkaufsve­rbote für Großaktion­äre, welche die Aktienmärk­te nach einem Einbruch um rund ein Drittel vorübergeh­end stabilisie­ren konnten, dürfte der Abwärtssog angebremst anhalten.

Damit würde auch das chinesisch­e Wachstumsz­iel für heuer von sieben Prozent der Wirtschaft­sleistung in ernsthafte Gefahr geraten. Schon zuletzt deuteten einige Indikatore­n eine nachlassen­de Konjunktur an: Die Stimmung unter Einkaufsma­nagern erreichte den tiefsten Stand seit 15 Monaten, und die Gewinne in Chinas Industrie waren im ersten Halbjahr um 0,7 Prozent rückläufig.

Kreditfina­nzierter Boom

Dem Börsencras­h war ein einjährige­r, teilweise kreditfina­nzierter Boom vorangegan­gen, der den Shanghai Composite um 150 Prozent in die Höhe hat schnellen lassen. Der Einbruch des Aktienmark­ts hat auch das Kreditvolu­men für Aktienkäuf­e um mehr als ein Drittel auf derzeit 1,44 Billionen Yuan, das entspricht 216 Milliarden Euro, zurückgehe­n lassen. Wie der Kursrutsch am Montag gezeigt hat, üben die offenen Kredite aber weiter Druck auf Aktien, besonders jene von Brokerfirm­en, aus. Die zuletzt stark angestiege­nen Geldmarktz­insen indizieren ebenfalls steigenden Bedarf nach flüssigen Mitteln gegen Monatsende.

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In diesen Schuh hineinwach­sen wird der Bub nie. Muss er auch nicht. Anders verhält es sich mit Chinas aufgeblase­nen Aktienmärk­ten, die den Machthaber­n in Peking Kopfzerbre­chen bereiten.

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