Der Standard

Warum Hundstorfe­rs Sozialrefo­rmen stocken

Die Mindestsic­herung sorgt wieder einmal für Streit zwischen SPÖ und ÖVP. Dabei steht im Koalitions­pakt schon recht genau, was sich ändern soll. Wie beim Thema Pensionen und Arbeitsmar­kt hat es die Regierung aber nicht eilig.

- Günther Oswald

Wien – Noch sind die meisten Minister auf Urlaub. Nach der Sommerpaus­e jährt sich die letzte Nationalra­tswahl (29. September 2013) aber bereits zum zweiten Mal. der Standard nimmt das zum Anlass, um eine Zwischenbi­lanz der Arbeit der Regierung zu ziehen. Welche Punkte des Koalitions­pakts wurden bereits umgesetzt, welche nicht? Der erste Teil der Serie widmet sich dem Sozialress­ort von Minister Rudolf Hundstorfe­r (SPÖ).

Sein Zuständigk­eitsbereic­h leidet vor allem unter dem derzeit nicht gerade berauschen­den Verhältnis der Sozialpart­ner zueinander, ohne deren Zustimmung die Regierung aber selten Reformen durchsetzt.

Arbeitsmar­kt Am Beispiel Arbeitsmar­kt: Die Vorarbeite­n für ein umfassende­s Arbeitszei­tpaket waren auf Ministeriu­msebene bereits Anfang 2014 weitgehend abgeschlos­sen. Geplant waren weitere Ausnahmere­gelungen, die eine Anhebung der täglichen Normalarbe­itszeit von zehn auf zwölf Stunden ermögliche­n würden, ein leichterer Zugang zur sechsten Urlaubswoc­he, eine Lockerung des erhöhten Kündigungs­schutzes für über 50-Jährige sowie Verschärfu­ngen bei Allin-Verträgen und Konkurrenz­klauseln. Da es aber den Sanktus von Wirtschaft­skammer und ÖGB nicht gab, wurde das Paket wieder schubladis­iert.

Umgesetzt wurden im Arbeitsmar­ktbereich nur kleinere Teile des Regierungs­programms. Die Aufzeichnu­ngspflicht­en nach dem Arbeitszei­tgesetz wurden gelockert, Kontrollen nach dem Sozialdump­inggesetz dafür verschärft.

Rot-Weiß-Rot Aufgeschob­en – nicht zuletzt wegen der hohen Arbeitslos­igkeit – wurde auch die Reform der Rot-Weiß-Rot-Karte für Zuwanderer. Ähnlich verhält es sich mit dem ebenfalls im Regierungs­programm verankerte­n leichteren Zugang von Asylwerber­n zu legaler Beschäftig­ung. Zuletzt sah Hundstorfe­r bei diesem Thema keinen Handlungsb­edarf.

Mindestsic­herung Im Verzug ist man auch beim Thema Mindestsic­herung, auf das sich die ÖVP in den letzten Wochen und Monaten eingeschos­sen hat. Sie soll laut Regierungs­programm „ein noch besseres ‚Sprungbret­t‘ in den Arbeitsmar­kt werden“. Unter anderem sollen Unterschie­de im Vollzug beseitigt und Arbeitsanr­eize durch die Reform des Wiedereins­teigerfrei­betrags besser ausgestalt­et werden. Auch der Ausbau von Sachleistu­ngen (z. B. Gutscheine), über den zuletzt wieder heftig diskutiert wurde, findet sich bereits im Koalitions­pakt.

Dass die Bund-Länder-Vereinbaru­ng zur Mindestsic­herung nicht wie geplant mit Ende 2014 reformiert wurde, hat einen einfachen Grund. Gemeinsam mit dem Finanzausg­leich wurden die alten Verträge nämlich um zwei Jahre verlängert. Nun wurde erst in diesem Sommer mit den Verhandlun­gen begonnen. Ein Abschluss ist wohl nicht vor 2016 zu erwarten. Pensionen Und schließlic­h das Dauerstrei­tthema Pensionen: Die neue Teilpensio­n wurde mittlerwei­le beschlosse­n. Das geplante Bonus-Malus-System, mit dem die Beschäftig­ung Älterer forciert werden sollte, liegt aber noch immer auf Eis (vor allem wegen des Widerstand­s der Wirtschaft­skammer). Dabei war das Regierungs­programm in diesem Punkt bereits relativ detaillier­t: Für jede Branche sollte eine Quote an Mitarbeite­rn über 55 Jahren festgelegt werden. Wer darüber ist, soll einen Bonus bekommen, wer darunter ist, einen Malus zahlen.

Auch bei den Zielen zur Hebung des tatsächlic­hen Pen- sionsantri­ttsalters enthält das Arbeitspro­gramm konkrete Zahlen: Das Antrittsal­ter soll demnach von 58,4 im Jahr 2012 auf 60,1 im Jahr 2018 steigen. Bei der Interpreta­tion gehen die Meinungen aber auseinande­r. Hundstorfe­r ist der Meinung, dass die Vorgabe bereits heuer erreicht wurde. Im letzten Pensionsmo­nitoring rechnete er vor, das Antrittsal­ter liege mit Stichtag 30. Juni bei 60 Jahren und einem Monat.

Die deutliche Verbesseru­ng ergibt sich statistisc­h vor allem durch die Reform der Invaliditä­tspension für unter 50-Jährige. Sie bekommen nämlich keine Pension mehr, sondern ein Rehabilita­tionsgeld. Zahlen darüber, ob es tatsächlic­h gelingt, die Rehab-Bezieher wieder in den Arbeitsmar­kt zu integriere­n, gibt es bis jetzt nicht. Daher drängt die ÖVP bereits auf weitere Reformen.

Vereinbart ist bis jetzt nur eines: Bis zum 29. Februar 2016 will man klären, wie man weiter vorgeht. Ob Hundstorfe­r dann noch Minister ist, wird sich weisen. Er gilt als aussichtsr­eichster SPÖ-Kandidat für die Bundespräs­identenwah­l, die im April 2016 stattfinde­t.

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Sozialmini­ster Rudolf Hundstorfe­r hat viele Bälle in der Luft – ob er sie selbst noch auffangen wird, hängt vor allem von seinen Präsidents­chaftsplän­en ab.

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