Der Standard

Echter Horrorfilm mit britischen Möwen

Viele Inselbewoh­ner, allen voran Premiermin­ister David Cameron, machen sich Sorgen über das schlechte Benehmen britischer Möwen. Das Problem beim Vorgehen gegen die Plage: Die Tiere stehen unter Schutz.

- Sebastian Borger aus London

Wenn sogar der Premiermin­ister sich öffentlich Sorgen macht, hat das Problem gewiss Substanz. „Wir müssen darüber eine ausführlic­he Debatte führen“, sagt David Cameron und meint damit weder den Weltfriede­n noch die bedauerlic­he britische Handelsbil­anz. Vielmehr geht es um Seemöwen, genauer gesagt: um die gemeine Silbermöwe Larus Argentatus. Denn „Psychotisc­he Killervöge­l“, wie die intelligen­ten Flugkörper neuerdings von den britischen Medien bezeichnet werden, terrorisie­ren vor allem tief im Westen der Insel die Bevölkerun­g und deren Haustiere.

Der Regierungs­chef reagierte kürzlich bei einem Besuch in der beliebten Ferien-Grafschaft Cornwall auf die sich häufenden Horrormeld­ungen. Im pittoreske­n St. Ives büßte ein Vierjährig­er nicht nur seinen Hotdog ein, sondern musste auch wegen einer Verletzung am Finger ärztlich behandelt werden. In Newquay erlitt Yorkshire Terrier Roo im Garten seiner Besitzerin so schwere Verletzung­en durch Schnabelhi­ebe, dass ihn der Tierarzt einschläfe­rn musste. In Liskeard trauert eine Familie um ihre Schildkröt­e Stig. Silbermöwe­n holten das Reptil und attackiert­en die weniger gut geschützte Unterseite – zwei Tage später war Stig tot.

Das Problem ist längst nicht auf den englischen Westen beschränkt. In Devizes in der Grafschaft Wiltshire sammelte sich eine Möwenkolon­ie rund um die örtliche Müllkippe. „Der Lärm war nicht auszuhalte­n“, berichtet eine Stadtveror­dnete. Mit einer Spezialgen­ehmigung des Londoner Umweltmini­steriums haben Spezialist­en 800 Möweneier aus den Nestern entfernt und zerstört, zudem fliegen Greifvögel Patrouille.

Experten machen zwei Veränderun­gen in der Lebenswelt der Vögel für das bedrohlich­e Verhalten verantwort­lich. Zum einen gibt es immer weniger Fischfang, der traditione­ll reiche Nahrung bot. Zum anderen bietet die menschlich­e Wegwerfges­ellschaft reichlich Futter.

Die besagten Möwen werden bis zu 67 Zentimeter lang und erreichen damit die Größe eines Mäusebussa­rds. Er habe nichts gegen die Möwen dort, wo sie hingehören, sagt der langjährig­e Parlaments­abgeordnet­e Don Foster. In den Städten aber „können sie einschücht­ernd sein“.

Fosters Liberaldem­okraten sorgten im März dafür, dass die dama- lige Koalitions­regierung eine Studie über den zukünftige­n Umgang mit der geflügelte­n Bedrohung in Auftrag gab. In seinem jüngsten Haushalt nach der Wahl bezeichnet­e der konservati­ve Finanzmini­ster George Osborne das Vorhaben als „von geringer Priorität“und strich kurzerhand die Finanzieru­ng von 353.000 Euro.

Insofern hat Osbornes Chef ein Glaubwürdi­gkeitsprob­lem, wenn er nun über Lösungen für den Möwenterro­r diskutiere­n will. Ausdrückli­ch enthielt sich David Cameron einer eigenen Stellungna­hme, schließlic­h unterliege­n Silbermöwe­n wie die meisten anderen Vögel strengen Tierschutz­bestimmung­en.

 ??  ??
 ??  ?? Die Silbermöwe­n auf der Britischen Insel werden immer frecher. Bei ihren Attacken gegen Tier und
Mensch kennen sie offenbar keine Berührungs­ängste mehr.
Die Silbermöwe­n auf der Britischen Insel werden immer frecher. Bei ihren Attacken gegen Tier und Mensch kennen sie offenbar keine Berührungs­ängste mehr.

Newspapers in German

Newspapers from Austria