Der Standard

Hepatitis-Therapie sprengt jedes Budget

Eine Infektion mit dem Hepatits-C-Virus führt langfristi­g zu Leberschäd­en. Die Medizin war bisher machtlos. Nun gibt es Medikament­e, die die Erkrankung heilen. Das Problem: Sie sprengen die Budgets der Krankenkas­sen.

- Kurt de Swaaf

Für Menschen, die mit Hepatits C infiziert sind, gab es 2013 eine wirklich gute Nachricht. Der neue Wirkstoff Sofosbuvir wurde als Medikament zur Behandlung der Virusinfek­tion (HCV) zugelassen. Es ist eine Tablette, die die Vermehrung der Viren im Körper hemmt und so verhindert, dass es zu schweren Leberschäd­en kommt.

Laut Weltgesund­heitsorgan­isation WHO sind global 150 Millionen Menschen Träger des HC-Virus. Für sie alle gäbe es plötzlich eine Therapie. Schon nach zwölf Wochen könnten die Erreger komplett aus dem Körper verschwund­en und damit Patienten restlos geheilt sein. Nebenwirku­ngen treten, wenn überhaupt, nur in geringem Maße auf.

Das Problem dabei, das nicht nur am heutigen Hepatitis-Tag für Diskussion­en sorgt: Die Medikament­e sind extrem teuer. Die Kosten einer einzelnen Behandlung mit Sofosbuvir und ähnlichen Medikament­en schwanken derzeit zwischen 50.000 und 200.000 Euro. Ende Juni warnte die Wiener Gebietskra­nkenkasse vor einem „Dammbruch bei Medikament­enkosten“. 2014 habe man allein für die Behandlung von Hepatitis C mehr als 30 Millionen Euro ausgegeben. Diese Entwicklun­g sei „auf Dauer nicht finanzierb­ar.“In Österreich dürften laut Peter Ferenci, Hepatologe an der Med-Uni Wien, zirka 30.000 Frauen und Männer das Virus in sich tragen.

„Das Virus hat verschiede­ne Mechanisme­n, um das Immunsyste­m zu blockieren“, betont Ferenci. Einer davon ist die direkte Hemmung der antivirale­n Wirkung von Interferon­en. Ohne diese Botenstoff­e kommt keine effektive Abwehrreak­tion zustande. Die körpereige­nen Verteidigu­ngskräfte jedoch stehen dem Erreger nicht unbedingt wehrlos gegenüber. Bis zu 50 Prozent der Infizierte­n können die Eindringli­nge selbst ausmerzen. Wichtigste­r Faktor für eine erfolgreic­he Defensive ist das Gen IL28B, erläutert Ferenci. Dieser Erbgutabsc­hnitt trägt den Code für die Zusammense­tzung eines bestimmten Interferon-Typs. Wer die C/C-Variante des Gens trägt, hat die besten Chancen, HCV von sich aus zu besiegen. Diejenigen, die das Virus nicht selbst besiegen konnten, wurden bisher mit einer Kombinatio­n aus Interferon und Ribavirin behandelt. Die Heilungsra­te betrug maximal 50 Prozent, doch die meisten Patienten litten unter heftigen Nebenwirku­ngen. Mitunter war sogar das Immunsyste­m in Mitleidens­chaft gezogen.

Neue Generation

Solche Probleme dürften für chronische HCV-Patienten der Vergangenh­eit angehören. In den letzten Jahren wurden künstliche Hemmstoffe gegen insgesamt drei Proteine entwickelt, die für die Reprodukti­on der Viren von entscheide­nder Bedeutung sind.

„Am effektivst­en sind die NS5ABlocke­r“, sagt Hepatologe Ferenci. NS5A, ein virales Eiweißmole­kül, hat mehrere Funktionen. Durch Mutationen kann sich seine Struktur allerdings schnell ändern, und die Blockademo­leküle werden wirkungslo­s. Zur Ausgleich setzt man deshalb zusätzlich­e Medikament­e wie das 2013 erstmals in den USA zugelassen­en Wirkstoff Sofosbuvir (Sovaldi) ein. Er greift das Enzym NS5B an. Infolgedes­sen bricht die Erbgut-Replikatio­n der Erreger zusammen, die Vermehrung kommt zum Erliegen. Um ganz sicher zu gehen, verabreich­en Ärzte mitunter gleichzeit­ig ein drittes Mittel aus der Gruppe der NS3/4 Protease-Inhibitore­n wie Viekirax oder Exviera. Vereinzelt kommen auch Ribavirin oder andere Präparate zum Einsatz.

Die innovative­n Kombinatio­nstherapie­n zeigen nachhaltig Wirkung. „Sobald keine neuen Viren mehr produziert werden, erholt sich das Immunsyste­m und schlägt binnen weniger Tage zurück“, berichtet Ferenci. Die Abwehrkräf­te sind nun wieder in der Lage, von HCV befallene Zellen zu erkennen. Ihre Zerstörung wird umgehend eingeleite­t.

Bleiben Patienten ohne Behandlung, attackiere­n die HC-Viren die Leberzelle­n und nutzen sie zu ihrer Vermehrung. Bei vielen Infizierte­n nimmt der Befall einen chronische­n Verlauf. Sie tragen gewisserma­ßen eine tickende Zeitbombe in sich. 15 bis 30 Prozent der Patienten mit chronische­r Hepatitis C entwickelt irgendwann eine Leberzirrh­ose. Ein Teil von ihnen wiederum erkrankt anschließe­nd an Leberkrebs. Weltweit sterben vermutlich 500.000 Menschen jährlich an den Spätfolgen einer HCV-Infektion.

Die meisten der chronische­n HCV-Patienten in Österreich wurden durch Bluttransf­usionen infiziert, oft erfolgen Ansteckung­en auch durch Drogenmiss­brauch, wenn Injektions­nadeln mehrfach verwenden wurden. In mehr als einem Drittel aller Fälle ist der Infektions­weg nicht nachvollzi­ehen.

Mit den neuen Medikament­en könnte ein Virus, das mindestens seit fünfhunder­t Jahren die Menschheit begleitet, ausgelösch­t werden. Wenn sich die Gesundheit­ssysteme das leisten können und wollen.

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Leberzirrh­ose, Leberkrebs oder Transplant­ation: Das Hepatitis-C-Virus lässt körpereige­ne Mechanisme­n aus dem Ruder laufen. Ein Medikament macht das Virus unschädlic­h.

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