„Das ist ein großer medizinischer Durchbruch“
Eigentlich sollte die Heilung einer Erkrankung ein Grund zum Jubeln sein – ist es aber nicht. Pharmig-Chef Jan Oliver Huber über die Preise bei Medikamenten.
INTERVIEW: STANDARD: Wie viele Wirkstoffkombinationen gegen Hepatitis C sind im klinischen Einsatz? Huber: Viele. Die verschiedenen Genotypen des Erregers bestimmen Art und Dauer der Therapie. Seit letztem Jahr haben sich durch den neuen Wirkstoff Sofosbuvir (Sovaldi) vom Konzern Gilead die Behandlungsergebnisse deutlich verbessert. Mehr als 90 Prozent der Fälle werden jetzt geheilt. Das ist ein großer medizinischer Durchbruch.
STANDARD: Warum ist es so teuer? Huber: Sovaldi hat eine spezielle Geschichte. Es wurde von einer kanadischen Firma entwickelt, für 11,7 Milliarden US-Dollar von Gilead gekauft und zur Zulassung gebracht. Mehrere Pharmaunternehmen haben darum gekämpft. Das trieb den Preis in die Höhe. Normalerweise kostet eine Medikamentenentwicklung ein bis 1,5 Milliarden Euro. Der Wettbewerb mit anderen Herstellern, die ähnliche Wirkstoffe auf den Markt bringen, drängte Gilead dazu, das Geld möglichst schnell wieder einzuspielen.
STANDARD: Die Krankenkassen klagen, weil sie sich die Medikamente kaum leisten können. Huber: Die Interferon-Therapie war auch schon sehr teuer. Viele Patienten haben sie jedoch wegen der Nebenwirkungen nicht vertra- gen. Die Behandlungen mussten oft erfolglos abgebrochen werden. Die Heilungsrate betrug nur 20 bis 30 Prozent. Abgesehen davon kostet eine Nichtbehandlung von Hepatitis C ebenfalls sehr viel. Wenn eine Lebertransplantation erforderlich wird, schlägt diese mit 250.000 Euro zu Buche, und der Patient muss danach für den Rest seines Lebens immunsuppressive Medikamente nehmen. Die können bis zu 10.000 Euro jährlich kosten. Volkswirtschaftlich gesehen sind die neuen Therapien somit sinnvoll und günstig.
STANDARD: Wie könnte der Konflikt mit den Versicherungsträgern Ihrer Meinung nach gelöst werden? Huber: Die Krankenkassen geben, ohne Mehrwertsteuer, nur 15 bis 16 Prozent ihrer Budgets für Medikamente aus. Diese Kosten sind 2014 tatsächlich um 5,4 Prozent gestiegen, und im laufenden Jahr dürfte die Steigerung sechs bis sieben Prozent betragen. Nachträg- lich durch die Pharmahersteller gewährte Rabatte werden in diese Kalkulation allerdings nicht miteinbezogen. Wir sind in Verhandlungen mit dem Hauptverband, leisten Solidarbeiträge von rund 18 Millionen Euro. Die einstigen Schulden der Kassen sind längst abgetragen, es wurden mittlerweile Reserven aufgebaut. Es ist Geld da, aber die Mittel sind ungleich verteilt.
STANDARD: Wie dürfte sich die Lage weiterentwickeln? Huber: Kostendämpfungen kommen mit Ablauf der Patente. Das dauert noch. Der Wettbewerb drückt die Preise jetzt schon runter. Es gibt schon jetzt verschiedene Wirkstoffkombinationen – sogar in einer einzigen Tablette. Das ist patientenfreundlich und sehr wirksam.
JAN OLIVER HUBER ist Generalsekretär des Interessenverbands der pharmazeutischen Industrie in Österreich.