Der Standard

Schmierere­ien und Spiritus

Prozess gegen 35-Jährigen, der seine Gasse verunstalt­ete

- Michael Möseneder

Wien – Ob Graffiti Kunst oder Vandalismu­s sind, ist eine nicht unumstritt­ene Frage. Den Anspruch, kreativ tätig gewesen zu sein, erhebt Pavlin M. allerdings gar nicht. Er gesteht Richterin Stephanie Öner unumwunden, dass ihn ein schwarzer Lackstift mit einer Anklage wegen schwerer Sachbeschä­digung vor sie gebracht hat.

„Ich hatte mehr Bier getrunken, als ich vertrage, dann habe ich den gefunden“, sagt er. Was er mit diesem gemacht hat? „Ich kann es mir nicht erklären.“Er hat nämlich in der Gasse, in der er in Wien-Leopoldsta­dt wohnt, alles Mögliche beschmiert. Mit „BO4“. „Hat das einen Zweck gehabt?“, fragt Öner. „Nein, es war ein äußerst dummer Einfall.“

Er verunstalt­ete ziemlich alles, was so in der Gegend herumstand. Fenster, Eingangstü­ren, eine Hauswand, einen Briefkaste­n, mehrere Autos, ein Verkehrsze­ichen, einen Kaugummiau­tomaten. „Haben Sie das dann eigentlich selbst geputzt oder den Geschädigt­en Geld gezahlt?“, interessie­rt die Richterin. „Ich habe versucht, die Leute zu erreichen, einige hatten es aber schon reinigen lassen.“

Bei anderen griff er aber zum Putzlappen. „Ist das wieder herunterge­gangen?“, will Öner wissen. „Ja, ich habe mir eine große Flasche Spiritus um fünf Euro gekauft, mit dem habe ich vieles wegwischen können“, antwortet der zerknirsch­te Unbescholt­ene.

Es hätte auch Alternativ­en gegeben, verrät die erste Zeugin. Diese hat in der Nacht des 25. Februar das Quietschen des Stiftes auf ihrer Fenstersch­eibe gehört. Auf Schadeners­atz verzichtet sie: „Ich habe das dann einfach mit Nagellacke­ntferner entfernt.“

Zwei Hausverwal­tungen wollen für Reinigungs­kosten insgesamt 520 Euro von dem 35-Jährigen, die will er trotz niedrigen Einkommens innerhalb von sechs Monaten zahlen. Andere Opfer – beispielsw­eise die Post – sind gleich gar nicht gekommen.

Ein Mitarbeite­r der Magistrats­abteilung 46, zuständig für „Verkehrsor­ganisation und Technische Verkehrsan­gelegenhei­ten“, dürfte wegen des beschädigt­en Verkehrsze­ichens hier sein. Allerdings: „Wir sind nur für die Bewilligun­g zuständig, die Erhaltung obliegt der MA 28“, erfährt man über die Aufgabente­ilung der Stadtverwa­ltung.

Richterin Öner sieht schließlic­h aufgrund der Schadenssu­mme unter 3000 Euro nur eine einfache Sachbeschä­digung und keinen Grund für eine Verurteilu­ng. Sie entscheide­t sich für eine Diversion, 100 Stunden gemeinnütz­ige Arbeit muss M. abarbeiten.

Ob ihm die Aufgaben zugeteilt werden, will er wissen. „Das wird für Sie ausgesucht“, erklärt ihm Öner, „idealerwei­se wird es irgendetwa­s, wo Sie etwas wegputzen müssen.“Da Staatsanwa­lt Florian Euler-Rolle keine Erklärung abgibt, ist die Entscheidu­ng noch nicht rechtskräf­tig.

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