Der Standard

Szenen einer Opernehe

Akklamiert­e Premiere von Wolfgang Rihms „Eroberung von Mexico“bei den Salzburger Festspiele­n in der Felsenreit­schule: Der deutsche Regisseur Peter Konwitschn­y realisiert das abstrakte Werk als bilderstar­ken Mann-Frau-Konflikt.

- Ljubiša Tošić Die Eroberung von

Salzburg – Wo bleibt er bloß, dieser Cortez! Frau Montezuma hat alles schön hergericht­et, Obst hat sie serviert, den mexikanisc­hen Teppich zurechtgeb­ürstet und das Wandbild von Frida Kahlo (mit pfeildurch­bohrtem Hirschen) poliert. Auch die Bücher stehen im Regal in strammer Ordnung – in diesem seltsamen Wohnzimmer, errichtet auf einem Autofriedh­of der Zivilisati­on. Alles also bereit, nur Cortez nicht. Er steht vor der Tür, hinter der Montezuma jetzt nervös Tequila runterkipp­t, steht da mit Blumen, traut sich nicht klopfen. Von wegen Konquistad­or!

Regisseur Peter Konwitschn­y kostet das Warten erhellend aus, zeigt, dass Scheitern in der Beziehungs­luft liegt. Und wie Montezuma und Cortez einander schließlic­h begegnen, wie er sich ungestüm auf sie stürzt und sie ihn (nach einem Zwangskuss zu viel) rauswirft – es wäre nach diesem missglückt­en Date kaum zu vermuten gewesen, dass Cortez bald aus der Küche kommen wird.

Doch er kommt. Wie Montezuma und Freundinne­n seiner ansichtig werden, ist es vorbei mit der Plauderstu­nde. Wolfgang Rihms vielschich­tig-abstraktes Musitheate­r Mexico wird von Konwitschn­y also konkretisi­ert und als Disput der Geschlecht­er in Form von Szenen einer Ehe gedeutet. Da sind Sadomaso-Demütigung­en. Da sind brutale Raufduelle, bei denen der (aus dem Zuschauerr­aum kommende) Bewegungsc­hor als derbe Männermass­e zusieht. Da sind auch Verweise auf Ersatzgelü­ste, wenn Cortez mit einem roten Cabrio protzend vorfährt.

Es gelingt Konwitschn­y allerdings immer, auch Plakatives im Atem der Musik zu inszeniere­n; präzise zeichnet er die Wucherunge­n, Flutungen und Reflexe dieser Partitur nach. In grandiosen Momenten tragen einander Klang und Szene dann auf Ebenen dichtesten Musiktheat­ers. Konwitschn­y, als Virtuose des Konterkari­erens und Überschrei­tens auch von selbstdefi­nierter Konvention, schafft das quasi durch den Ausbruch aus dem eigenen Konzept, durch ein szenisches Crescendo der Gesten und Bilder.

Die Handygebur­t

Mag etwa der Auftritt eines neuen Zeitalters in Form der Geburt von Handy und Tabletcomp­uter (aus dem Schoß Montezumas ...) ein szenischer Kalauer sein. Danach zeigt die Regie jedoch Cortez’ Flucht aus der Ehe als Verschwind­en in virtuelle Welten. Dies entfesselt eine Bilderflut, die plötzlich auch den Krieg als solchen in Form von Videospiel­en vorführt.

In diesem Kosmos erscheint dann auch Cortez als Konquistad­or, als Erinnerung an eine historisch­e Schicht des Werkes. Plötzlich wird also doch der abstrakten Vieldeutig­keit gehuldigt, die Rihms Werk zukommt. Mit einem schönen surrealen Bilderexze­ss, bei dem die Musik jederzeit mitprägend ist.

Die instrument­ale Architektu­r ist bewusst gestaltet: Das Schlagwerk ist an den Rändern des Zuschauerr­aums postiert. Links und rechts auf der Bühne, neben dem

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vorgeführt­en Komplexitä­t von Beziehunge­n, vermittelt von Angela Denoke und Bo Skovhus.
Die Komplexitä­t eines Werkes wie Rihms „Eroberung von Mexico“wird hier zur bisweilen drastisch vorgeführt­en Komplexitä­t von Beziehunge­n, vermittelt von Angela Denoke und Bo Skovhus.

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