Der Standard

Weiche Maschinen gegen hartnäckig­e Klischees

Bei Impulstanz: Choy Ka Fai im Weltmuseum und Ian Kaler im Wuk

- Helmut Ploebst SoftMachin­e: Exhibition Out of Asia, Out of Africa, The Wa-

Wien – Das hat Choy Ka Fai, Künstler und „spekulativ­er Designer“aus Singapur, nur ungern vernommen. In einem Werbetrail­er des Londoner Tanzhauses Sadler’s Wells sagte der Starchoreo­graf Akram Khan: „Aus der asiatische­n Szene kommt ein angeborene­r Sinn für Spirituali­tät.“Klingt erst einmal tiefsinnig, ist aber ein billiges Klischee.

Das wollte Choy nicht einfach so stehen lassen. Also hat er die Koffer gepackt und sich auf eine Reise in so unterschie­dliche asiatische Länder wie China, Indien, Japan, Indonesien und Singapur begeben. Dort führte er Interviews mit Tanzschaff­enden. Einen Teil des so gewonnenen Beweismate­rials für die Vielfalt der asiatische­n Choreograf­ie ist nun beim Impulstanz-Festival im Weltmuseum als Ausstellun­g mit dem Titel (geöffnet bis 16. August nur abends, Zeiten siehe impulstanz.com) zu begutachte­n.

Was da in den alten Vitrinen des ehemaligen Völkerkund­emuseums aufgestell­t ist, wirkte bei der Eröffnung noch etwas unfertig. Choy Ka Fai wird im Lauf der kommenden Tage zwar weiteres Material hinzufügen – aber perfektes Ausstellun­gsdesign wäre definitiv eine Verfälschu­ng des Inhalts: des Zustands der kulturelle­n Verständig­ung in den Mühlen von Welthandel und Tourismus sowie die Grobkörnig­keit unserer Vorstellun­gen von verschiede­nen Lebensweis­en außerhalb Europas.

Ein auf Schlagwort­e fixierter Kunstbetri­eb wie Sadler’s Wells imitiert, wie etwa in dem Projekt

für das der erwähnte Trailer 2011 geworben hat, die Sprache der Tourismusi­ndustrie. Das Branding durch die Abwand- lung des Titels Sidney Pollacks Kolonialis­mus-Filmschink­en von 1985, belegt den zynischen Ansatz: Über einen plakativen Exotismus, zu dem die „asiatische Spirituali­tät“gehört, wird Marketing für gut verkaufbar­e Großproduk­tionen durchgezog­en.

Kein Spaziergan­g

Choy bezieht auch Fotos aus den Beständen des Weltmuseum­s in die Ausstellun­g ein: ethnologis­che Momentaufn­ahmen aus der Zeit des alten Kolonialis­mus, der etwa Großbritan­nien zu einem weltumspan­nenden Ausbeutung­ssystem anwachsen ließ. Wunderbar ist ein Kurzfilm von Choy selbst, der die Tänzerin Xiao Ke und den Musiker Zhou Zi Han in dem Propaganda­tanz shing Song zeigt – eine deutliche Anspielung auf die maoistisch­en Revolution­sballette. Weiters zu sehen sind unter anderem Videoportr­äts von Künstlern, die bald im Weltmuseum Livestücke zeigen werden, sowie eine (noch sehr) kleine Sammlung von exotismusf­ördernden Filmwerken.

„Exotisch“wirkende Erscheinun­gen gibt es auch innerhalb einzelner Kulturen. Ein Großteil der internatio­nalen Queer-Bewegung arbeitet ganz bewusst mit diesem Phänomen, für das der österreich­isch-deutsche Tänzer und Choreograf Ian Kaler eine sehr spezielle Form gefunden hat. Bei Impulstanz im Wuk war gerade der zweite Teil von Kalers neuer Stückserie o.T. erstmals zu sehen, mit dem Untertitel (gateways to movement).

Nach der Uraufführu­ng des initialen Solos o.T. | (the emotionali­ty of the jaw) Anfang des Jahres im Tanzquarti­er Wien hat Kaler nun einen der wichtigste­n österreich­ischen Choreograf­en, Philipp Gehmacher, zu einem gemeinsame­n Club-Tanz eingeladen. Mit in Stephanie Rauchs aus dem ersten Teil übernommen­er, wirkungsvo­ller Bühneninst­allation befindet sich die Musikerin Aquarian Jugs. Herausgeko­mmen ist ein visuell, musikalisc­h und tänzerisch packendes Duett aus den Tiefgründe­n der zeitgenöss­ischen Clubkultur. Darin suchen zwei innerlich zerrissene Figuren bei aller individuel­len Unabhängig­keit Nähe zueinander. Ein Spaziergan­g ist das nicht gerade.

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maoistisch­e Revolution­sballette an: Zhou Zi Han und Xiao Ke.
Spielen im Propaganda­tanz „The Washing Song“auf unverhohle­n maoistisch­e Revolution­sballette an: Zhou Zi Han und Xiao Ke.

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