Der Standard

KOPF DES TAGES

Hart, aber herzlich in den Athen-Marathon

- Laura Balomiri

Nach zwölf Jahren Erfahrung im Internatio­nalen Währungsfo­nds ist die 40-jährige Ökonomin Delia Velculescu vor kurzem zur neuen Chefin der IWF-Mission für Griechenla­nd ernannt worden. Mit der Verhandlun­g des dritten Rettungspr­ogramms für Griechenla­nd, die am Montag begann, übernimmt sie neben den drei anderen Gläubigerv­ertretern (EU, EZB und Eurorettun­gsfonds ESM) die in der Finanzwelt derzeit wohl schwierigs­te Aufgabe.

Velculescu ersetzt den wegen seiner angebliche­n Unnachgieb­igkeit unbeliebte­n Rishi Goyal als Lokomotive der noch unbeliebte­ren Gläubigerd­elegation, die Griechenla­nd mit einem Hilfspaket von 86 Milliarden Euro in der Währungsun­ion halten soll. In sie wird die Hoffnung gesetzt, der Griechenla­nd-Mission ein neues Gesicht und den Verhandlun­gen einen neuen Stil zu verpassen. Gleichzeit­ig soll sie harte Reformen bei jener Regierung durchsetze­n, die zuletzt eher unfreiwill­ig mit internatio­nalen Partnern kooperiert und die bei den Wahlen versproche­n hatte, die Troika des Landes zu verweisen.

Aus Sicht des IWF, dessen 16-Milliarden-Kredit im März 2016 ausläuft, soll Velculescu nun entscheide­n, ob das Land überhaupt kreditwürd­ig ist.

Die gleich nach ihrem Schulabsch­luss in die USA ausgewande­rte Rumänin war in den vergangene­n Jahren Teil des Verhandlun­gsteams und hat 2009 eine Studie über Griechenla­nds finanziell­er Situation mitherausg­egeben. Als Leiterin der IWF-Delegation in Zypern fuhr sie einen dezidierte­n Privatisie­rungskurs. Auch in Slowenien setzte Velculescu als IWF-Verhandler­in auf Privatisie­rungsmaßna­hmen.

Dies brachte ihr in der zyprischen Presse Anerkennun­g für ihre angebliche Verhandlun­gsstärke ein – aber auch den Ruf als Vertreteri­n des „ultraneoli­beralen“Trends innerhalb des IWF. Sie wurde in Anspielung auf ihre rumänische Herkunft und auf Fürst Dracula unter dem Alias „Frau Draculescu“bekannt. Auf die Frage, wann man in Zypern wieder auf Wohlstand hoffen könne, antwortete sie unverblümt: „Es ist kein Sprint, sondern ein Marathon.“

Velculescu ist mit dem ebenfalls aus Rumänien stammenden US-amerikanis­chen Onkologen Victor Velculescu verheirate­t, dem 2012 für seine Forschung im Bereich der Genetik Chancen auf einen Nobelpreis zugesproch­en wurden. Das Paar lebt gemeinsam in der Stadt Baltimore an der Ostküste der USA und hat drei Kinder.

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in Athen.
Foto: EPA Delia Velculescu, neue Chefin der IWF-Delegation in Athen.

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