Erdogan-Partei AKP klammert sich an die Macht
Wenig Aussicht auf große Koalition in der Türkei – Nationalisten könnten Minderheitsregierung stützen
Ankara/Athen – Nach den ersten Koalitionsgesprächen in der Türkei seit 16 Jahren wird nun eine Entscheidung des amtierenden Premierministers Ahmet Davutoglu erwartet. Er war als Führer der größten Parlamentspartei, der bisher allein regierenden konservativ-islamischen AKP, von Staatspräsident Tayyip Erdogan mit der Regierungsbildung beauftragt worden. Davutoglu dürfte sich am Donnerstag oder Freitag diese Woche mit dem Chef der sozialdemokratischen Oppositionspartei CHP, Kemal Kiliçdaroglu, treffen und anschließend bekanntgeben, ob es zu einer großen Koalition in der Türkei kommt.
Die Wirtschaft und Politiker der AKP wie der CHP hatten sich in den Wochen seit der Parlamentswahl am 7. Juni positiv über eine solche Koalition geäußert. Sie würde das Land stabilisieren, die Spaltung zwischen Säkularen und Religiösen abschwächen und den Friedensprozess mit den Kurden voranbringen, hatte es geheißen.
Mittlerweile aber sind die schwersten Kämpfe zwischen der türkischen Armee und der kurdischen Arbeiterpartei PKK seit dem Sommer 2012 ausgebrochen.
Eine halbe Seite Notizen
Davutoglu sei aufrichtig in seinem Wunsch nach einer Koalitionsregierung, erklärte Kiliçdaroglu im türkischen Fernsehen nach Abschluss der Sondierungen am Montag; doch Erdogan, der Neuwahlen wolle, lasse den Premier nicht gewähren, fügte er an.
Insgesamt genau 29,5 Stunden sollen die Gespräche zwischen den Delegationen von AKP und CHP gedauert haben. Beim letzten Treffen sei Ömer Çelik, der Delegationsleiter der Regierungspartei und amtierende Kulturminister, mit einer halben Seite Notizen ausgekommen, hieß es später. Das wurde als Zeichen für das Desinteresse der Erdogan-Männer an der Koalition gewertet.
Laut Artikel 116 der Verfassung kann Erdogan nach Ablauf von 45 Tagen ergebnisloser Koalitionssuche Neuwahlen ansetzen lassen. Umfragen zeigen allerdings, dass die Kurdenpartei HDP der AKP weiterhin die absolute Mehrheit wegnähme: 41,9 Prozent für die AKP, 12,3 Prozent für die HDP, lauten die jüngsten am Dienstag veröffentlichten Zahlen. Spekuliert wird deshalb über eine Minderheitsregierung der AKP, die von den kurdenfeindlichen Rechtsnationalisten der MHP toleriert würde. Ein führender MHPPolitiker dementierte gleichwohl am Dienstag, dass er eine solche Tolerierung nur bis zu Neuwahlen im November zugesagt hätte.