Der Standard

Migrantenl­iste kritisiert Kurz: „Sind kein Stimmvieh“

Außenminis­ter Sebastian Kurz will, dass Migranten sich in etablierte­n Parteien engagieren. Eine eigene Liste stehe Integratio­n entgegen. Das sei auch nicht das Ziel, meint Turgay Taskiran: Er will Inklusion und dass Migranten nicht mehr als Stimmvieh herh

- Oona Kroisleitn­er

Wien – Als „das Gegenteil von Integratio­n“bezeichnet­e Integratio­nsminister Sebastian Kurz am Dienstag im Interview mit dem STANDARD die Kandidatur einer türkischen Partei bei den Wiener Landtags- und Gemeindera­tswahlen am 11. Oktober. Integratio­n in das politische System würde bedeuten, dass sich „Zuwanderer in etablierte­n Parteien engagieren“.

Für die von Kurz angesproch­ene migrantisc­he Liste „Gemeinsam für Wien“wird Turgay Taskiran auf Platz eins ins Rennen gehen. Taskiran stammt aus Mödling, ist Arzt in Simmering und hat türkische Wurzeln. Die Kritik des Ministers findet er „typisch“für Regierungs­mitglieder: „Sie haben bereits eine Meinung, ohne überhaupt Genaueres über uns zu wissen“, kritisiert Taskiran gegenüber dem STANDARD. Seine Liste wolle sich am politische­n Prozess beteiligen, da es bis jetzt viel zu wenige Politiker mit Migrations­hintergrun­d gebe, die auch ein Mandat besetzen. Etablierte Parteien würden Migranten nämlich nur als „Stimmvieh“ausnutzen und sie alibihalbe­r auf nichtwählb­are Plätze reihen.

Die Folge davon sei „Politikver­drossenhei­t“bei Menschen, deren Wurzeln im Ausland liegen, sie würden sich nicht repräsenti­ert fühlen. „Minister Kurz kann nicht nachvollzi­ehen, was wir täglich erleben“, sagt Taskiran. Der „Alltagsras­sismus“, dem Migranten ausgesetzt seien, könne ein Österreich­er nicht verstehen.

Genau dem will Taskiran mit seiner Kandidatur entgegenwi­rken. Er will eine „Brücke schlagen“zwischen Zugereiste­n und in Österreich geborenen. Zwar gibt es derzeit noch kein Wahlprogra­mm, „Inklusion“werde jedoch eine Hauptforde­rung sein. „Wir wollen, dass alle Bevölkerun­gsteile inkludiert werden, unabhängig von Alter oder Herkunft.“Intregrati­on stehe der Inklusion aber entgegen: „Man muss Menschen akzeptiere­n, wie sie sind, solange sie den Regeln des Zusammenle­bens folgen“, sagt Taskiran.

Zugereiste sollten, so der Arzt, die Sprache und die kulturelle­n Werte des Landes, in dem sie leben, kennen und akzeptiere­n. Dafür sollten aber auch alle, die dies tun, in der Politik mitbestimm­en und vertreten werden. Auf seiner Liste, sollen daher Menschen aus allen ethnischen Gruppen stehen.

Um überhaupt auf den Stimmzette­l zu stehen, braucht die migrantisc­he Liste auf Landeseben­e 100 Unterstütz­ungserklär­ungen in jedem der 18 Wahlkreise in Wien. Für einen Antritt auf Bezirksebe­ne braucht sie je 50 Unterschri­ften. Die Suche nach Unterstütz­ern gehe momentan aber noch schleppend voran, sagt Taskiran.

Vor allem im 13. und im 19. Bezirk laufe es „nicht gut“. In den Bezirken zehn bis zwölf und im 20. seien die Unterstütz­ungserklä- rungen hingegen „fast vollständi­g“gesammelt. Sollte Taskiran die Voraussetz­ungen für eine Kandidatur erbringen, steht die nächste Hürde an: 35.000 bis 40.000 Stimmen braucht er, um in den Gemeindera­t einzuziehe­n. Potenziell­e Wähler gebe es in Wien aber auf jeden Fall genug: Von den 1,1 Millionen Wahlberech­tigten haben rund 240.000 einen Migrations­hintergrun­d. 55.000 davon haben Wurzeln in der Türkei.

Auch mit der FPÖ

Sollte „Gemeinsam für Wien“im Oktober in den Gemeindera­t einziehen, will Taskiran es mit allen versuchen; auch mit der FPÖ. „Wir wollen einen offenen Weg gehen und mit jedem reden.“Ihm gehe es um das Ziel, „etwas zu ändern“. „Ich denke zwar nicht, dass die Freiheitli­chen sich mit mir an einen Tisch setzen, aber ich will niemanden ausschließ­en“, sagt er.

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Bei den kommenden Wien-Wahlen soll eine migrantisc­he Liste kandidiere­n. Angeführt wird sie von einem türkischst­ämmigen Arzt, der gegen Integratio­n eintritt.
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Foto: privat Turgay Taskiran tritt für mehr Inklusion von Migranten ein.

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