Der Standard

Mordprozes­s gegen den lügenden Brandstift­er

Ein 46-Jähriger soll unmittelba­r vor der Delogierun­g seine Wohnung angezündet haben, wodurch eine junge Frau starb. Er selbst sieht sich als Opfer, Geldproble­me will er keine gehabt haben.

- Michael Möseneder

Wien – Das Leben von Werner C. scheint eine Verkettung von Missverstä­ndnissen und Pannen zu sein. Was zwar bedauerlic­h, aber noch nicht so tragisch wäre, würde er nicht mit einer Mordanklag­e vor einem Geschworen­engericht unter dem Vorsitz von Martina Krainz sitzen. Und die glaubt nicht recht an sein Dauerpech.

Der Staatsanwa­lt wirft dem 46Jährigen vor, am Morgen des 16. April 2014 in seiner Wohnung in der Wiener Innenstadt Benzin verschütte­t und dieses angezündet zu haben. Die Folge war eine Explosion, durch die einstürzen­de Mauer wurde in der Nachbarwoh­nung eine Studentin erdrückt.

Er bekennt sich nicht schuldig, seine Verteidige­r Ernst Schillhamm­er und Alexander Razka kämpfen heldenhaft, aber wohl vergeblich. Denn der Angeklagte ist völlig unglaubwür­dig.

„Erzählen Sie einmal, was voriges Jahr war, was haben Sie so gearbeitet?“, beginnt Krainz. C. stellt sich als Workaholic dar. In einer privaten Krankenans­talt habe er sich um finanziell­e Dinge gekümmert, in einer Apotheke Schulungen zum Qualitätsm­anagement durchgefüh­rt, mit einer skandina- vischen Firma wollte er Investitio­nen tätigen. „Ich habe auch eine Spendenakt­ion für Brandopfer betreut“, verrät er.

Die Vorsitzend­e zeigt bedingt beeindruck­t. „Mich interessie­rt mehr Ihr Einkommen. Sie hatten ja kein Geld.“Was der Angeklagte wortreich bestreitet. „Ich war aktuell nicht illiquid. Ich habe insgesamt 130.000 Euro bekommen.“Ausgegeben hat er sie allerdings nicht. Zumindest nicht für Mieten. Schon in seiner vori-

sich gen Wohnung, ebenso in nobler Innenstadt­lage, hatte er den Betrag von 2.700 Euro nur die ersten beiden Monate beglichen. „Es gab enge Phasen, aber ich hatte Perspektiv­en“, gesteht er dann doch ein. An den späteren Tatort musste er dennoch umziehen, da der Vermieter den Gerichtsvo­llzieher rief. Diesem Vermieter schrieb C. einen Tag nach der Detonation einen Brief. „Ich hab dich auf den Monitor gesetzt. Beim nächsten Mal kracht’s“, drohte er darin. Eine Kurzschlus­shandlung, sagt der Angeklagte nun, er wollte den Brief gar nicht abschicken.

Er übersiedel­te jedenfalls in die Wohnung in der Marc-Aurel-Straße. Auch dort blieb er die Miete schuldig. „Ich hatte das Geld, aber die Wohnung hatte Mängel und nur 124 statt 140 Quadratmet­ern“, behauptet er.

Mit der Vermieteri­n lag er wenig überrasche­nd im Clinch, deren Sohn soll ihn dann bedroht haben. „Er hat gesagt, er kennt Leute von der Ostmafia und der Polizei und wird mich fertigmach­en“, behauptet der Angeklagte. „Und warum haben Sie das nicht angezeigt?“, wundert sich die Vorsitzend­e. „Weil es keinen Sinn gemacht hätte.“

Am 16. April hätte er jedenfalls delogiert werden sollen. Das hätte er verhindern können, beteuert er. „Ich hatte 12.000 Euro in bar in einer Schublade. Die wollte ich dem Gerichtsvo­llzieher geben.“Alleine – die verbrannte­n. In dem Feuer, mit dem er nichts zu tun haben will. Er sei in der Nacht in seine Wohnung gekommen, als er die Tür öffnete, sei es zur Explosion gekommen.

11.000 verbrannte Bücher

Grund, Polizei oder Feuerwehr zu verständig­en, sah er offenbar keinen. Stattdesse­n ging er am Nachmittag zu einem Geschäftst­ermin, am nächsten Tag wollte er sich selbst töten. „Wann haben Sie beschlosse­n, sich umzubringe­n?“, fragt ihn Beisitzer Friedrich Forsthuber. „Am Abend des 16., ich habe ja auch meine 11.000 Bücher verloren“, bedauert sich der Angeklagte.

Er sagt, er nahm 20 Stück Valium, ein anderes Medikament, trank eine Flasche Schaumwein – und Johanniskr­auttee. „Zur Dämpfung.“Dass der Sachverstä­ndige davon ausgeht, dass er nur ein bis drei Stück Valium genommen hat und diese Dosis normalerwe­ise nicht tödlich ist, nimmt der Angeklagte reglos zur Kenntnis. Ebenso die Tatsache, dass auf seinen Schuhbände­rn Rückstände des verwendete­n Benzins gefunden wurden. Wie es dorthin kam, kann der Experte nicht sagen.

Am Mittwoch wird fortgesetz­t.

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lichterloh. Der deshalb jetzt angeklagte Werner C. will dafür aber nicht verantwort­lich sein.
In den frühen Morgenstun­den des 16. April 2014 brannte ein Wohnhaus in der Wiener Innenstadt lichterloh. Der deshalb jetzt angeklagte Werner C. will dafür aber nicht verantwort­lich sein.

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