Mordprozess gegen den lügenden Brandstifter
Ein 46-Jähriger soll unmittelbar vor der Delogierung seine Wohnung angezündet haben, wodurch eine junge Frau starb. Er selbst sieht sich als Opfer, Geldprobleme will er keine gehabt haben.
Wien – Das Leben von Werner C. scheint eine Verkettung von Missverständnissen und Pannen zu sein. Was zwar bedauerlich, aber noch nicht so tragisch wäre, würde er nicht mit einer Mordanklage vor einem Geschworenengericht unter dem Vorsitz von Martina Krainz sitzen. Und die glaubt nicht recht an sein Dauerpech.
Der Staatsanwalt wirft dem 46Jährigen vor, am Morgen des 16. April 2014 in seiner Wohnung in der Wiener Innenstadt Benzin verschüttet und dieses angezündet zu haben. Die Folge war eine Explosion, durch die einstürzende Mauer wurde in der Nachbarwohnung eine Studentin erdrückt.
Er bekennt sich nicht schuldig, seine Verteidiger Ernst Schillhammer und Alexander Razka kämpfen heldenhaft, aber wohl vergeblich. Denn der Angeklagte ist völlig unglaubwürdig.
„Erzählen Sie einmal, was voriges Jahr war, was haben Sie so gearbeitet?“, beginnt Krainz. C. stellt sich als Workaholic dar. In einer privaten Krankenanstalt habe er sich um finanzielle Dinge gekümmert, in einer Apotheke Schulungen zum Qualitätsmanagement durchgeführt, mit einer skandina- vischen Firma wollte er Investitionen tätigen. „Ich habe auch eine Spendenaktion für Brandopfer betreut“, verrät er.
Die Vorsitzende zeigt bedingt beeindruckt. „Mich interessiert mehr Ihr Einkommen. Sie hatten ja kein Geld.“Was der Angeklagte wortreich bestreitet. „Ich war aktuell nicht illiquid. Ich habe insgesamt 130.000 Euro bekommen.“Ausgegeben hat er sie allerdings nicht. Zumindest nicht für Mieten. Schon in seiner vori-
sich gen Wohnung, ebenso in nobler Innenstadtlage, hatte er den Betrag von 2.700 Euro nur die ersten beiden Monate beglichen. „Es gab enge Phasen, aber ich hatte Perspektiven“, gesteht er dann doch ein. An den späteren Tatort musste er dennoch umziehen, da der Vermieter den Gerichtsvollzieher rief. Diesem Vermieter schrieb C. einen Tag nach der Detonation einen Brief. „Ich hab dich auf den Monitor gesetzt. Beim nächsten Mal kracht’s“, drohte er darin. Eine Kurzschlusshandlung, sagt der Angeklagte nun, er wollte den Brief gar nicht abschicken.
Er übersiedelte jedenfalls in die Wohnung in der Marc-Aurel-Straße. Auch dort blieb er die Miete schuldig. „Ich hatte das Geld, aber die Wohnung hatte Mängel und nur 124 statt 140 Quadratmetern“, behauptet er.
Mit der Vermieterin lag er wenig überraschend im Clinch, deren Sohn soll ihn dann bedroht haben. „Er hat gesagt, er kennt Leute von der Ostmafia und der Polizei und wird mich fertigmachen“, behauptet der Angeklagte. „Und warum haben Sie das nicht angezeigt?“, wundert sich die Vorsitzende. „Weil es keinen Sinn gemacht hätte.“
Am 16. April hätte er jedenfalls delogiert werden sollen. Das hätte er verhindern können, beteuert er. „Ich hatte 12.000 Euro in bar in einer Schublade. Die wollte ich dem Gerichtsvollzieher geben.“Alleine – die verbrannten. In dem Feuer, mit dem er nichts zu tun haben will. Er sei in der Nacht in seine Wohnung gekommen, als er die Tür öffnete, sei es zur Explosion gekommen.
11.000 verbrannte Bücher
Grund, Polizei oder Feuerwehr zu verständigen, sah er offenbar keinen. Stattdessen ging er am Nachmittag zu einem Geschäftstermin, am nächsten Tag wollte er sich selbst töten. „Wann haben Sie beschlossen, sich umzubringen?“, fragt ihn Beisitzer Friedrich Forsthuber. „Am Abend des 16., ich habe ja auch meine 11.000 Bücher verloren“, bedauert sich der Angeklagte.
Er sagt, er nahm 20 Stück Valium, ein anderes Medikament, trank eine Flasche Schaumwein – und Johanniskrauttee. „Zur Dämpfung.“Dass der Sachverständige davon ausgeht, dass er nur ein bis drei Stück Valium genommen hat und diese Dosis normalerweise nicht tödlich ist, nimmt der Angeklagte reglos zur Kenntnis. Ebenso die Tatsache, dass auf seinen Schuhbändern Rückstände des verwendeten Benzins gefunden wurden. Wie es dorthin kam, kann der Experte nicht sagen.
Am Mittwoch wird fortgesetzt.