Wie mit Gefühlen Politik betrieben wird
Politikwissenschafterin Brigitte Bargetz arbeitet an einer neuen Demokratietheorie
„Politik ist immer sehr emotional besetzt”, sagt Politikwissenschafterin Brigitte Bargetz. „Und über diese Emotionen wird Macht ausgeübt.” Sei es durch das Abwerten einer weiblich konnotierten Art des Führens, wie es bei Politikerinnen nicht selten gemacht werde, sei es durch das bewusste Konstruieren eines „Andersseins“von Migrantinnen und Migranten.
Aktuelle Politiktheorien würden das Thema Emotionen jedoch komplett ausblenden: Hier herrsche vor allem in der deutschsprachigen Politikwissenschaft eine Leerstelle. Diese versucht Bargetz zu füllen – durch ihr Forschungsprojekt mit dem Titel „Politische Grammatik der Gefühle”. Ihr Ziel ist es, eine politische Theorie zu entwerfen, die Affekte und Emotionen miteinbezieht. Die 40-Jährige bedient sich dazu Ansätzen aus den Kultur- und Sozialwissenschaften. Vorbilder sind Sarah Ahmed, Lauren Berlant, Lawrence Grossberg, Audre Lorde und Birgit Sauer – „viele Ansätze kommen aus den USA“.
In den USA war es auch, wo sich ihr Interesse für Emotionen im Politischen vertiefte: Die gebürtige Bregenzerin verbrachte dort einen Forschungsaufenthalt, zur Zeit des Vorwahlkampfs zwischen den Demokraten Barack Obama und Hillary Clinton. „Damals entstand eine unfassbare Diskussion über die angebliche Gefühlskälte von Clinton“, erzählt Bargetz, der es nicht darum geht, „Emotionalität zu bewerten“, sondern „um die Frage, wie Politik affektiv gedacht werden kann, um unterschiedliche Mechanismen des Regierens zu beleuchten.“
Unverzichtbar seien dafür feministische Perspektiven, weil „feministische Wissenschafterinnen schon früh begonnen haben, zur Frage von Affekten zu arbeiten“, sagt Bargetz. Die von ihnen entworfenen Konzepte würden sich ideal dazu eigenen, Herrschaftsverhältnisse zu beschreiben. „Sie hinterfragen die Trennung von Politik und Emotionalität, die Vorstellung, dass Politik rational ist und Gefühle privat sind.“
„Leider“, sagt die Wissenschafterin, würden feministische Ansätze aber seit Jahrzehnten als Partikularbereich gelten. Für Bargetz unverständlich – sie sieht sie vielmehr als „Erweiterung“klassischer Theorien, denn: „Geschlecht betrifft alle“.
Bargetz studierte Politikwissenschaft und Geschichte an der Universität Wien und dissertierte dort zum Thema „Transformation von Öffentlichkeit und Privatheit“. Ihre Dissertation wurde von der Akademie der Wissenschaften gefördert und vom Wissenschaftsministerium mit dem Award of Excellence ausgezeichnet. Es folgten Aufenthalte in Seattle und Berlin: an der Humboldt-Universität, am ICI Berlin Institute for Cultural Inquiry und am Institut für Queer Theory. Seit zwei Jahren forscht Bargetz nun wieder in Österreich, als Universitätsassistentin an der Uni Wien.
Auch hierzulande werde mit Emotionen „sehr machtvolle Politik betrieben“– zu sehen in der Refugeebewegung oder in der Rassismusdebatte: Über die Angst vor den anderen würden Ausschlüsse legitimiert werden.
Und was macht ihr Interesse am Forschen aus? „Einerseits die Leidenschaft, mehr wissen zu wollen und andererseits eine Empörung über gesellschaftliche Verhältnisse“, sagt Bargetz. „Was mich von Anfang an interessiert hat, war das kritische Wissen, das Reflektieren von Unhinterfragtem.“