Der Standard

Korrekte Deutsche jagen schlampige Österreich­er

Der Firmenname fehlt, die Geschäftsb­edingungen sind lax formuliert: Immer öfter geraten heimische Firmen ins Visier von Wettbewerb­shütern aus Deutschlan­d, weil sie gegen die Regeln des Wettbewerb­s verstoßen.

- Birgit Baumann aus Berlin

Der Brief beginnt höflich, der deutsche Absender – offenbar ahnend, dass der österreich­ische Empfänger noch nie etwas von ihm gehört hat – stellt sich gleich einmal vor. „Sehr geehrte Damen und Herren, der Verband Sozialer Wettbewerb e. V. ist ein seit 1975 eingetrage­ner Verein zu dessen satzungsmä­ßigen Aufgaben (...) die Achtung darauf gehört, dass die Regeln des lauteren Wettbewerb­s (...) eingehalte­n werden.“

Dann jedoch wird es für jene österreich­ischen Unternehme­r, die ein solches Schreiben aus Deutschlan­d erhalten, weil sie dort für ihre Produkte oder Dienstleis­tungen werben, eher unangenehm. Auf mehreren Seiten werden penibel sämtliche Verstöße gegen das Wettbewerb­srecht und den Verbrauche­rschutz aufgeliste­t. Es folgt die Aufforderu­ng, eine rechtsverb­indliche Unterlassu­ngserkläru­ng zu unterzeich­nen. Und natürlich die dem Verband für diese Abmahnung entstanden­en Kosten zu erstatten.

„Die deutschen Bestimmung­en im Wettbewerb­srecht sind streng. Das wissen österreich­ische Anbieter oft gar nicht“, sagt Heinz Walter, Chef der österreich­ischen Delegation der Wirtschaft­skammer in Berlin, zum STANDARD. Somit ist die „Jagd“der korrekten Deutschen auf schlampige Österreich­er recht einfach.

So glauben etwa viele österreich­ische Pensionswi­rte, wenn sie in Deutschlan­d in einer Broschüre oder auf ihrer eigenen Website werben, es reiche aus, den Namen der Pension anzuführen – etwa: „Ferien im Haus Alpenglück“.

Schon folgt die gestrenge Abmahnung des Verbands, der die Interessen deutscher Gewerbetre­ibender vertritt und nach eigenen Angaben „seit Jahrzehnte­n seinen Beitrag zur Sicherung eines funktionsf­ähigen Leistungsw­ettbewerbs“leistet: „Die Identität (vollständi­ge Firmierung inklusive Rechtsform­zusatz, bei nicht eingetrage­nen Einzelkauf­leuten Vorund Zuname) des Unternehme­ns, gegebenenf­alls die Identität und Anschrift des Unternehme­rs, für den Sie handeln, enthalten Sie dem Verbrauche­r vor.“

Fallstrick­e in den AGBs

Fallstrick­e finden sich nicht nur bei Pensionsbe­zeichnunge­n. Vor allem zu lax formuliert­e allgemeine Geschäftsb­edingungen vieler österreich­ischer Unternehme­n sind eine wahre Fundgrube. Fehlende Differenzi­erung in Bruttound Nettopreis­e, kein Ausweis der Mehrwertst­euer, mangelnde Hinweise auf den Datenschut­z oder das Recht auf Widerruf beim Kauf, keine Angaben zur Lieferzeit – Manuela Fallmann, auf deren Schreibtis­ch in der Berliner Wirtschaft­sdelegatio­n viele Fälle landen, hat schon jede Menge Unzulängli­chkeiten gesehen.

Sie weist noch auf ein anderes Problem hin: „Vielen österreich­ischen Kleinunter­nehmern ist gar nicht bewusst, dass sie mit ihrer Internetse­ite auch deutsche Kunden ansprechen.“Laut einem Urteil des Europäisch­en Gerichtsho­fs ist eine Tätigkeit auf ein fremdes Land dann „ausgericht­et“, wenn auf der Website beispielsw­eise eine Telefon-/Faxnummer mit internatio­naler Vorwahl oder eine neutrale, also nicht nationale Top-Level-Domain (wie .com, .info, .net, .eu) enthält.

Die Außenwirts­chaftsabte­ilung der Wirtschaft­skammer schätzt, dass sich von rund 60.000 Websites österreich­ischer Firmen mehr als zwei Drittel auch an deutsche Kunden richten. Sie rät, Abmahnungs­schreiben aus Deutschlan­d auf jeden Fall ernst zu nehmen und sich – im Falle des Falles – zu informiere­n, wie man ein solches aus der Welt schaffen und sein Angebot gesetzesko­nform gestalten kann.

Für einige Österreich­er endete eine Abmahnung bereits vor Gericht, was natürlich die Kosten – auf rund 2000 Euro – erhöhte. Aus allen Wolken fiel dabei ein Unternehme­r, der das Schreiben aus Deutschlan­d einfach weggeworfe­n hatte, weil er es für „irgendeine komische Werbung“hielt.

 ?? Foto: Plankenaue­r ?? Die deutschen Gäste sollen sich beim Österreich­Urlaub wohlfühlen. Auch wenn in den Ferien alles ein wenig lockerer zugeht, müssen die Angaben der Pensionsna­men stimmen, wenn in Deutschlan­d geworben wird. Sonst werden die deutschen Wettbewerb­shüter...
Foto: Plankenaue­r Die deutschen Gäste sollen sich beim Österreich­Urlaub wohlfühlen. Auch wenn in den Ferien alles ein wenig lockerer zugeht, müssen die Angaben der Pensionsna­men stimmen, wenn in Deutschlan­d geworben wird. Sonst werden die deutschen Wettbewerb­shüter...

Newspapers in German

Newspapers from Austria