Der Standard

Mehr Entlastung für Mikrounter­nehmer

Kaum ist die Entlastung von wenig verdienend­en Kleinunter­nehmern in trockenen Tüchern, kommen die nächsten Forderunge­n. Der Fachverban­d der Unternehme­nsberater spricht sich für die Abschaffun­g des Selbstbeha­lts bei der Krankenver­sicherung aus.

- Regina Bruckner

Wien – Kaum ist die lange geforderte Entlastung der Niedrigver­diener unter den Selbststän­digen auf Schiene, kommt schon die nächste Forderung. Alfred Harl, Obmann des Fachverban­ds der Unternehme­nsberater in der WKO (UBIT), fordert nun die Abschaffun­g des 20-prozentige­n Selbstbeha­lts bei der Krankenver­sicherung für Selbststän­dige. Für Harl wäre dies aber nur eine der vielen notwendige­n Maßnahmen, um „Spirit und Gründergei­st in Österreich“auf die Sprünge zu helfen. Ein Ministeriu­m für Informatio­nstechnolo­gie, „wie es in Indien eine Selbstvers­tändlichke­it ist“, schwebt dem Unternehme­nsberater langfristi­g vor: „Aber auch die Gleichstel­lung von Angestellt­en und EPU dauert viel zu lange.“Die Sozialvers­icherungen würden sich schwertun, mit den Veränderun­gen in der Arbeitswel­t Schritt zu halten.

Tatsächlic­h ist die Verbesseru­ng der sozialen Absicherun­g für Selbststän­dige hierzuland­e ein Dauerbrenn­er. Immerhin arbeiten mittlerwei­le etwa eine Viertelmil­lion Menschen als Einpersone­nunternehm­en (EPU). 58 Prozent aller Mitglieder der Wirtschaft­skammer sind mittlerwei­le solche Mikrounter­nehmer. Die meisten in Gewerbe und Handwerk, im Handel und im Bereich Informatio­n und Consulting. Wie viele davon freiwillig und wie viele davon in die Selbststän­digkeit gedrängt, darüber gehen die Meinungen der Arbeitnehm­er- und Arbeitgebe­rvertreter naturgemäß auseinande­r.

Laut Gewerkscha­ft der Privatange­stellten (GPA) überleben mehr als ein Drittel die ersten fünf Jahre der Selbststän­digkeit nicht. Der durchschni­ttliche Umsatz einer Einmannfir­ma liegt demnach bei 11.553 Euro im Jahr brutto. Bei Frauen sind es 8788 Euro. Dass bei solchen Einnahmen die Last der Abgaben schnell erdrückend ist und das über Jahrzehnte gewachsene rechtliche Korsett nicht mehr passt, ist offenkundi­g. An welchen Schrauben gedreht werden muss, darüber wird seit langem diskutiert. Immerhin tritt nun die von der Bundesregi­erung beschlosse­ne Senkung der Sozialvers­icherungs-Mindestbei­träge von derzeit rund 724 Euro auf 406 Euro 2016 in Kraft. Selbststän­dige mit geringem Einkommen werden ab dann monatlich rund 30 Euro statt bis dahin mindestens 55,40 Euro an Krankenver­sicherungs­beiträgen zahlen.

Zweifel an Steuerungs­effekt

Was die Abschaffun­g des 20prozenti­gen Selbstbeha­lts für Selbststän­dige betrifft, so hält eine solche auch Volker Plass von der Grünen Wirtschaft für eine gute Idee: „Eine langjährig­e Forderung auch von uns.“Das von WKOChef und SVA-Obmann Christoph Leitl als Gegenargum­ent ins Treffen geführte Argument der steuernden Wirkung sei ohnedies nicht schlagkräf­tig, „da müssten die Selbstbeha­lte viel höher sein“, sagt Plass.

Weiterhin ungelöst ist auch die Frage, wie eine gute Krankengel­dlösung aussehen könnte. „Das Krankengel­d in Höhe von 29 Euro pro Tag gibt es ja erst ab dem 42. Krankheits­tag“, sagt Veronika Kronberger, Expertin für atypische Beschäftig­ungsverhäl­tnisse in der GPA.

Ein Thema, das Unternehme­nsberater Harl besonders beschäftig­t, sind die Werkverträ­ge. Ob ein Werkvertra­gsverhältn­is rechtens ist oder ob es sich doch um die Umgehung eines Angestellt­enver- hältnisses handelt, darüber entscheide­t letztlich die Gebietskra­nkenkasse. Für betroffene Unternehme­r kann es im Zweifelsfa­ll teuer werden, wenn sie mit Nachforder­ungen konfrontie­rt sind. Zahlen, wie viele solcher Streitfäll­e es gibt, werden nicht herausgerü­ckt. Nur so viel: „Mich sprechen sehr viele Unternehme­r auf dieses Problem an“, sagt Harl. Er wünscht sich, dass ehestmögli­ch Wirklichke­it wird, was Leitl im Zuge des WKO-Wahlkampfs vorgeschla­gen hat: „Jeder Betroffene soll selbst entscheide­n, ob er bei der Gebietskra­nkenkasse oder bei der SVA versichert sein möchte.“Dass die Gebietskra­nkenkasse gleichzeit­ig Kläger und Richter ist, hält auch der Grüne Plass für bedenklich.

GPA-Expertin Kronberger hält mit der Schutzbedü­rftigkeit mancher EPU dagegen: „Es gibt einerseits die Hochgebild­eten, aber auch zunehmend solche wie Regalbetre­uer. Um diese Gruppe muss man sich ebenfalls kümmern.“Dass hier die Gebietskra­nkenkasse das letzte Wort behält, hält sie für richtig: „Bei der Betriebspr­üfung, bei der von der Gebietskra­nkenkasse über die sozialvers­icherungsr­echtliche Zuständigk­eit entschiede­n wird, kann ja die Sozialvers­icherungsa­nstalt der gewerblich­en Wirtschaft beigezogen werden.“Das sollte zumindest verpflicht­end sein, findet Harl.

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Foto: Corbis / Daniel Attia Ein sehr schöner, moderner Arbeitspla­tz, den wohl viele gerne nehmen würden. Zumindest was die physische Beschaffen­heit betrifft. Wie es dann um die soziale Absicherun­g bestellt ist, da sind verschiede­ne Szenarien denkbar: dynamische­r Unternehme­r oder...

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