Der Standard

EU setzt auf baldigen Freihandel mit USA

Die EU hat sich mit Vietnam auf die Grundzüge eines neuen Freihandel­sabkommens geeinigt. Nun will sie in den umstritten­en Verhandlun­gen mit den USA Tempo aufnehmen. Handelskom­missarin Malmström hält einen Abschluss 2016 für machbar.

- Fabian Fellmann aus Brüssel

99 Prozent aller Zölle zwischen den 28 EU-Ländern und Vietnam werden verschwind­en: Darauf haben sich Handelskom­missarin Cecilia Malmström und Vietnams Handelsmin­ister Vu Huy Hoang am Dienstag telefonisc­h geeinigt. „Das ist ein neues, besseres und modernes Modell für Freihandel­sabkommen zwischen der EU und Entwicklun­gsländern“, sagte Malmström. Menschenre­chte und Umweltschu­tz würden mit dem Abkommen ebenso gewährleis­tet wie der Schutz von Herkunftsb­ezeichnung­en wie Champagner, Parmesankä­se oder Rioja-Wein.

Vietnam erhält bis zu zehn Jahre Zeit, um seine Zölle abzubauen, damit sich die Unternehme­n allmählich den neuen Gegebenhei­ten anpassen. Ein ähnlich weitreiche­ndes Abkommen in Südostasie­n hat die EU bisher nur mit Singapur abgeschlos­sen.

Allerdings besteht mit Vietnam bisher nur die politische Grundsatze­inigung, die juristisch­en Feinverhan­dlungen werden erst nach der Sommerpaus­e weitergefü­hrt. Offen geblieben ist im Abkommen mit Vietnam etwa der für die Europäisch­e Union wichtige Punkt der Streitbeil­egung. Im Verlauf der Freihandel­sgespräche mit den USA, welche unter dem Kürzel TTIP laufen, haben sich Protestbew­egungen gegen die geplanten privaten Handelsger­ichte, ISDS genannt, formiert.

Streitthem­a Streitbeil­egung

Nun will EU-Kommissari­n Malmström eine andere Lösung vorschlage­n, welche auch ins Vietnam-Abkommen einfließen soll, derzeit aber erst in Grundzügen besteht. „Wir arbeiten an einem neuen Zugang zur Streitbeil­egung. Wenn sich die Kommission auf eine Position dazu geeinigt hat, werden wir sie den USA im Herbst vorlegen“, sagte Malmström. Bisher entscheide­n oft temporäre Gerichte mit privaten Richtern abschließe­nd, wenn Unternehme­n gegen Staaten wegen Verletzung von Freihandel­sabkommen klagen.

Nach Malmströms Plänen sollen die Richter in Zukunft im Vorhinein bestimmt und die Verfahren transparen­ter werden, zudem soll eine Rekurseben­e eingeführt werden. Das soll Staaten besser schützen, wenn Konzerne sie wegen Gesetzesän­derungen auf Schadeners­atz verklagen. Das hat etwa der schwedisch­e Energiekon­zern Vattenfall zweimal gegen Deutschlan­d unternomme­n, unter anderem wegen des Gesetzes zum Ausstieg aus der Atomenergi­e.

Gemäß Malmströms Plänen dürften die TTIP-Verhandlun­gen im September in eine heiße Phase treten, wenn „politische­re Runden“anstehen, wie es die Handelskom­missarin am Dienstag formuliert­e. Bisher hätten die beiden Gesprächsp­arteien auch die Frage öffentlich­er Ausschreib­ungen noch nicht diskutiert, sagte Malmström. Seit 2009 verlangen die USA, dass für Verkehrsin­frastruktu­r nur US-amerikanis­cher Stahl und US-Produkte verwendet werden. Sie gebe sich nicht der Illusion hin, dass die USA solche Bestimmung­en abschaffen würden. Aber die USA müssten ihre Beschaffun­gsmärkte öffnen, sagte Malmström am Dienstag dazu. Trotz all der offenen Punkte hofft sie, die Gespräche bereits 2016 erfolgreic­h abzuschlie­ßen – noch in der Amtszeit von US-Präsident Barack Obama. „Wir arbeiten mit diesem optimistis­chen Szenario. Es ist machbar“, sagte Malmström.

Gegner formieren sich

Gegner auf europäisch­er Seite setzen aber alles daran, das Freihandel­sabkommen zu verhindern. Sie rüsten sich ebenfalls für einen heißen Herbst: Bis Oktober sammeln 480 Organisati­onen in der ganzen EU Unterschri­ften gegen TTIP. Nachdem die EU-Kommission deren Anerkennun­g als formelle Bürgerinit­iative verweigert hat, nennen die Aktivisten sie nun „selbstorga­nisierte Europäisch­e Bürgerinit­iative“, welche den politische­n Druck auf EU-Parlament und -Kommission erhöhen soll, TTIP und das analoge Ceta-Abkommen mit Kanada gar nicht erst abzuschlie­ßen. Bisher haben sie mehr als 2,4 Millionen Unterschri­ften gesammelt.

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Das Freihandel­sabkommen zwischen EU und Vietnam ist beschlosse­n. Für die Vereinbaru­ng mit den USA wird noch nach Lösungen gesucht.

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