Der Standard

Mehr Kompetenze­n für die EU

Die Griechenla­ndkrise hat gezeigt, dass Mitgliedss­taaten Souveränit­ät abgeben müssen

- Alexandra Föderl-Schmid

Es ist kein Zufall, dass just jetzt, in diesem Sommer nach dem Kraftakt rund um Griechenla­nd, Vorschläge publik werden, wie es weitergehe­n soll mit dem Euro, mit der EU, mit Europa. Im Juli waren es drei Jahre, dass der Chef der Europäisch­en Zentralban­k, Mario Draghi, den drohenden Kollaps der Währungsun­ion verhindert­e – mit einem einzigen Satz: notfalls Staatsanle­ihen in unbegrenzt­er Höhe zu kaufen. Er simulierte eine Fiskalsouv­eränität, die er nicht hat. Nachträgli­ch segnete der Europäisch­e Gerichtsho­f diese Aktion ab. Das Recht wurde formal nicht gebrochen, aber gebogen. Rein rechtlich gibt es auch die Gruppe der Eurofinanz­minister gar nicht.

In der Krise hat sich gezeigt, dass die Währungsun­ion um eine Banken-, Fiskal- und Wirtschaft­sunion ergänzt werden muss. Damit nicht mehr eine einzelne Regierung oder gar ein Koalitions­partner in einer Regierung eines Mitgliedss­taates die anderen erpressen oder mit ihrem Tun oder Unterlasse­n andere Länder gefährden kann.

Draghi formuliert­e seine Reformvors­tellungen diplomatis­ch: „Wir brauchen einen Quantenspr­ung bei der institutio­nellen Konvergenz. Wir müssen wegkommen von einem Regelsyste­m für nationale Wirtschaft­spolitik und stattdesse­n mehr Souveränit­ät an gemeinsame Institutio­nen abgeben.“Auf eine Formel gebracht heißt das: Mehr Europa!

Im sogenannte­n Fünf-Präsidente­nBericht im Frühjahr hatten die Chefs der EU-Institutio­nen, Jean-Claude Juncker, Martin Schulz, Donald Tusk, Mario Draghi und Jeroen Dijsselblo­em, bereits einen Vorstoß unternomme­n: „Längerfris­tig könnte erwogen werden, einen ständigen hauptamtli­chen Vorsitz der Eurogruppe einzuricht­en.“Aus dem Beamtendeu­tsch übersetzt heißt das: ein Eurofinanz­minister mit Durchgriff­srechten. ehr Europa heißt weniger Kompetenz für Nationalst­aaten. Deshalb ist überrasche­nd, dass in diesen Tagen ausgerechn­et Frankreich­s Präsident François Hollande diesen Vorschlag aufgreift und sogar noch erweitert: Er fordert nicht nur einen Eurofinanz­minister, sondern auch ein Eurozonenp­arlament und ein Eurobudget. Das ist der bisher weitreiche­ndste Vorschlag eines Vertreters eines Mitgliedss­taats und ein selbstbewu­sstes Signal aus Paris

Mgegen die deutsche Vormachtst­ellung in Europa, die unter Angela Merkel massiv ausgebaut worden ist und bei immer mehr Mitgliedss­taaten Kritik hervorruft. Frankreich stand zuletzt an der Seite Athens – und stellte sich gegen die deutschen Vorstellun­gen weiterer Einsparung­en.

Fast gleichzeit­ig ließ der deutsche Finanzmini­ster Wolfgang Schäuble seinen Vorschlag durchsicke­rn, der eine andere Stoßrichtu­ng hat – er will die EU-Kommission entmachten, weil sie seiner Ansicht nach zu lax ist beim Umgang mit Budgetrege­ln. Ein Eurofinanz­minister könnte zu beidem füh- ren: dass nicht nur die Nationalst­aaten, sondern auch die EU-Kommission Kompetenze­n abtreten müssten. Ein gemeinsame­s Reformkonz­ept könnte auch Deutschlan­d und Frankreich wieder näher zusammenfü­hren. Der deutsch-französisc­he Motor wird zwar viel kritisiert, hat aber die EU immer wieder vorangebra­cht.

Gleichzeit­ig müssen Kontrollre­chte des EU-Parlaments ausgebaut werden, um eine stärkere demokratis­che Legitimati­on von Beschlüsse­n zu erreichen. Gelingt nach der Griechenla­ndkrise tatsächlic­h eine umfassende EUReform, wäre das ein positiver Effekt.

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