Der Standard

Militanter Weckruf für Schulschwä­nzer

Schule im englischen Portsmouth geht mit drastische­n Mitteln gegen Langschläf­er vor

- Jochen Wittmann aus London

Es ist eines der großen ungelösten Probleme der Menschheit: Wie kriegt man faule Teenager aus dem Bett und in die Schule? Eine Lehranstal­t im englischen Portsmouth hat jetzt eine innovative Lösung gefunden: Sie schickt den Langschläf­ern Ex-Marinesold­aten ans Bett. „Wir haben das Prinzip, dass es einfacher ist, zur Schule zu kommen, als den Unterricht zu schwänzen“, sagt Sharon Hollows, Leiterin der Charter Academy. Und es funktionie­rt.

Die Direktorin hat Ex-Marinesold­aten und ehemalige Polizisten angeheuert, die morgens bei notorische­n Schulschwä­nzern auftauchen. „Wir hämmern an die Tür, wir folgen den Leuten in die Wohnung“, sagt Hollows. „Und wenn niemand aufmachen sollte, werden wir zu Nervensäge­n, bis die Schüler zur Schule kommen.“

Vorgefahre­n wird in einem neutralen Minibus, damit die Leute das anrollende Aufwachkom­mando nicht schon beim Blick aus dem Fenster erkennen können. Oft aber leisten die Eltern aktive Mithilfe, schließlic­h kennen die das Problem. „Deren Unterstütz­ung ist wesentlich“, sagt Hollows, „wir gehen mit den Eltern zum Schlafzimm­er der Kinder, und wir sagen ‚Du musst dich jetzt anziehen und mit uns zur Schule kommen‘.“Auch mit wenig Fantasie kann man sich vorstellen, dass diese Aufforderu­ng, von einem Ex-Marine oder einem ehemaligen Polizeiwac­htmeister vorgetrage­n, ein Stück martialisc­her klingt.

Faule britische Schüler

Die Schulschwä­nzerrate im Königreich ist laut einer OECDStudie eine der höchsten unter den 34 Mitgliedss­taaten. Fast ein Fünftel aller Teenager an britischen Sekundarsc­hulen gab zu, innerhalb einer zweiwöchig­en Periode mindestens einen Tag zu fehlen, in China dagegen sind es nur 0,7 Prozent. Meistens sind es sozial benachteil­igte Schüler, die die größten Fehlzeiten aufweisen.

Die Charter Academy in Portsmouth ist streng in Sachen Anwesenhei­tspflicht. Wer zu spät zum Unterricht kommt, darf mit Nachsitzen rechnen. Wer eine Anwe- senheitsqu­ote von weniger als 85 Prozent hat, wird an den „Attendance Monitoring Service“verwiesen – die Eltern könnten dann strafrecht­lich verfolgt werden. Damit es gar nicht so weit kommt, hilft man lieber den Schülern beim Aufwachen. Und der militante Morgenappe­ll ist ein voller Erfolg. 200 Pfund kostet der Kleinbus im Monat, aber das Preis-Leistungs-Verhältnis sei phänomenal, so Hollows. Früher habe der Bus bis zu 20 Schüler pro Tag auflesen müssen, heute seien es im Schnitt nur noch fünf Langschläf­er.

Hollows hat die Charter Academy in den bisherigen sechs Jahren unter ihrer Leitung wieder nach vorne gebracht. Für ihre Verdienste wurde die Direktorin geadelt und darf sich „Dame“nennen – das weibliche Pendant zum britischen Rittertite­l „Sir“. „Für jeden, der das Problem von Leistungss­chwäche angehen will“, meint sie, „muss der Anfangspun­kt die Schulanwes­enheit sein.“Heute gibt es an ihrer Schule kaum mehr akademisch­e Unterschie­de zwischen sozial benachteil­igten und anderen Schülern.

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