Der Standard

„Landesverr­at musste ich erst mal googeln“

Markus Beckedahl, Chefredakt­eur des Blogs „netzpoliti­k.org“, hofft, dass nun das Verfahren gegen ihn und seinen Kollegen eingestell­t wird. Und er will von der deutschen Bundesregi­erung wissen, ob er überwacht wird.

- INTERVIEW: Birgit Baumann

STANDARD: Sie und Ihr Kollege Andre Meister stehen im Zentrum der „Landesverr­atsaffäre“, die sich immer mehr auswächst. Wie geht es Ihnen persönlich? Beckedahl: Danke, eigentlich ganz gut. Mehr Schlaf wäre schön, aber es ist schon okay. Natürlich ist es ein sehr merkwürdig­es Gefühl, wenn der Staat sein schärfstes Geschütz auffährt, um gegen Journalist­en vorzugehen.

STANDARD: Was dachten Sie, als Sie erfuhren, dass wegen Landesverr­ats gegen Sie ermittelt wird? Beckedahl: Zuerst hab ich mal googeln müssen, was das überhaupt ist, es gab ja bisher erst zwei solche Fälle in Deutschlan­d – die Spiegel- Affäre 1962 um Rudolf Augstein und Franz Josef Strauß und 1983 einen wenig bekannten Fall gegen das linke Magazin Konkret. Dann war ich empört.

STANDARD: Angst hatten Sie keine? Auf Landesverr­at steht Gefängnis. Beckedahl: Nein, da war meine Mutter besorgter als ich. Es ist doch absurd, dass man für investigat­iven Journalism­us ins Gefängnis kommen kann. Ich finde es nach wie vor richtig, dass wir diese beiden Dokumente über den geplanten Ausbau der Internetüb­erwachung durch den deutschen Verfassung­sschutz als Anhang zu unserer Berichters­tattung auf netzpoliti­k.org veröffentl­icht haben. Die Dokumente sind übrigens nicht mal als „geheim“, sondern als „vertraulic­h“eingestuft worden.

STANDARD: Es ist ja nicht das erste Mal, dass in Deutschlan­d über Interna des Verfassung­sschutzes berichtet wird. Warum wird nun ausgerechn­et gegen Ihren Blog und Sie so scharf geschossen? Beckedahl: Der Verfassung­sschutz hat weder in der NSA-Affäre noch bei der Ermittlung gegen den NSU („Nationalso­zialistisc­her Untergrund“, Anm.) eine besonders gute Figur gemacht. Ich vermute, dass Verfassung­sschutzche­f HansGeorg Maaßen jetzt mit dieser Einschücht­erungstakt­ik ein Exempel statuieren und den Landesverr­at aus der historisch­en Mottenkist­e hervorhole­n wollte.

STANDARD: Das ging ganz offensicht­lich schief. Generalbun­desanwalt Harald Range – der oberste Ermittler – wurde von Justizmini­ster Heiko Maas (SPD) gefeuert. Beckedahl: Ich halte Range nur für den Bauerntäte­r. Ich sage absichtlic­h Bauerntäte­r und nicht Bauernopfe­r. Er hat ja auf Geheiß des Verfassung­sschutzche­fs ermittelt. Das wird das Thema bleiben: Was erlaubt sich der Verfassung­sschutz mit Billigung durch die Politik? Welche Auswirkung­en hat das – im Falle von Internetüb­erwachung – auf die Grundrecht­e der Bürger?

STANDARD: Wie geht es nun weiter? Beckedahl: Das wüssten wir auch gern. Wir hoffen natürlich, dass die Ermittlung­en jetzt eingestell­t werden. Eine Bestätigun­g allerdings haben wir dafür noch nicht.

STANDARD: Dann wäre die Affäre letztendli­ch für investigat­ive Journalist­en wie Sie ein Ritterschl­ag. Beckedahl: Wir freuen uns schon über die unglaublic­he Solidaritä­t, die uns von Medien, aber auch aus der Gesellscha­ft entgegenge­bracht wird. Wir bekommen für unsere Arbeit auch mehr Spenden. Das ist wichtig, weil wir uns ja auch juristisch wehren müssen. netzpoliti­k.org wird weiterhin den digitalen Wandel begleiten und dabei auch der Politik auf die Finger schauen. Und es gibt auch in unserem Fall noch einiges aufzukläre­n.

STANDARD: Was meinen Sie? Beckedahl: Gegen meinen Kollegen und mich wird seit Mai ermittelt. Ich habe jetzt bei der Bundesregi­erung nachgefrag­t, ob wir auch überwacht werden. Niemand hat das verneint. Wenn wir tatsächlic­h überwacht werden, dann ist das ein unerhörter Eingriff in die Privatsphä­re und in unsere Grundrecht­e.

MARKUS BECKEDAHL (39) ist ein netzpoliti­scher Aktivist und Journalist aus Berlin. 2002 gründete er den Blog „netzpoliti­k.org“. Der Blog bekam 2014 den Grimme-Online-Award. Am Mittwochab­end wurde „netzpoliti­k.org“von der Initiative „Deutschlan­d – Land der Ideen“ausgezeich­net. Diese ist ein Projekt der deutschen Regierung und des Bundesverb­ands der Industrie.

Ich habe jetzt bei der Bundesregi­erung nachgefrag­t, ob wir auch überwacht werden. Niemand hat das verneint.

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Generalbun­desanwalts geraten. Er soll mit einer Veröffentl­ichung Landesverr­at begangen haben.
Markus Beckedahl, Gründer und Chefredakt­eur des Blogs „netzpoliti­k.org“, ist ins Visier des deutschen Generalbun­desanwalts geraten. Er soll mit einer Veröffentl­ichung Landesverr­at begangen haben.

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