Der Standard

Was die USA der Eurozone voraushabe­n

Wie wird aus einem losen Bund von Staaten eine richtige Währungsun­ion? Die Übertragun­g neuer Kompetenze­n auf Brüssel allein wird die Eurozone nicht retten, sagen Ökonomen. Lehrreich wäre für Europa vor allem ein Blick über den Tellerrand.

- András Szigetvari

Wien – Ein Finanzmini­ster für die ganze Eurozone, ein Eurozonenp­arlament und vielleicht auch eine eigene Steuer für die Währungsun­ion: Als Folge der Griechenla­nd-Krise kursieren viele Ideen darüber, wie man die Eurozone umkrempeln könnte.

Nach den Befürworte­rn einer stärkeren Eurointegr­ation, wirft der STANDARD nun auch einen Blick auf die Argumente der Kritiker. Da sind einmal jene aus der nationalis­tischen Ecke. Die Chefin des Front National, Marine Le Pen, etwa würde Frankreich am liebsten aus der Eurozone führen, wie sie mehrfach erklärte. Der Euro ist für Le Pen nur eines: ein Riesenfehl­er.

Abseits dieser EU-Ressentime­nts wird die Diskussion aber aus einer pragmatisc­hen Richtung angefeuert. Das Argument geht in etwa so: Ideen wie ein Eurofinanz­minister sind schön und gut. Sie werden aber nichts dazu beitragen, um die Konflikte und Krisen in der Eurozone beizulegen.

Ein Eurofinanz­minister zum Beispiel soll nach den Vorstellun­gen des deutschen Finanzmini­sters Wolfgang Schäuble dafür sorgen, dass die Budgetrege­ln wirklich eingehalte­n werden. Der Minister könnte ein Vetorecht gegen Parlaments­beschlüsse bekommen, die den Regeln der Währungsun­ion widersprec­hen.

Wenig hilfreiche Ideen

„Solche Vorschläge sind im Moment wenig hilfreich“, kontert Christian Odendahl, Chefökonom des Londoner Centre for European Reform. „Der Grund, warum Europa kaum wächst, hat wenig mit zu laxer Fiskalpoli­tik zu tun.“Das Problem sei vielmehr, dass Länder wie Deutschlan­d auf der Ausgabenbr­emse stehen.

Das wirklich ungelöste Problem der Eurozone ist laut dieser Denkschule, dass die Rahmenbedi­ngungen, die nötig sind, um eine Währungsun­ion zusammenzu­halten, in der Eurozone nicht oder kaum gegeben sind. Die Unterschie­de zwischen den „Nordländer­n“(Deutschlan­d, Niederland­e, Österreich, Finnland) und dem kriselnden Süden (Italien, Spa- nien, Portugal, Griechenla­nd) sind zu groß. Der Süden brauche eine andere Art der Wirtschaft­spolitik, egal ob dies Arbeitsmar­kt, Investitio­nen oder Steuern betrifft. Fazit: Die Eurozone kann gar nicht zusammenwa­chsen, indem „nur“Kompetenze­n übertragen werden.

Die Experten der Europäisch­en Zentralban­k (EZB) haben diesem Thema vor wenigen Tagen eine spannende Untersuchu­ng gewidmet. Sie zeigen, dass die Unterschie­de bei den Pro-Kopf-Einkommen zwischen Nord und Süd seit der Euroeinfüh­rung 1999 nicht abgenommen haben. Der Euro brachte also keine reale Konvergenz.

Arbeitnehm­er bleiben daheim

Die Gräben reichen tiefer. So stieg die Arbeitskrä­ftemobilit­ät in der Eurozone kaum. Wenn ein Installate­ur in Madrid seinen Job verliert, geht er nicht nach Wien, um dort einen zu finden. Das trägt dazu bei, dass die Arbeitslos­igkeit regional konzentrie­rt ist. In Spanien ist jeder Vierte arbeitslos, in Deutschlan­d ist es laut EU-Statistikb­ehörde nicht einmal jeder Zwanzigste.

Studien zeigen, dass genau die höhere Arbeitskrä­ftemobilit­ät helfen kann, Schocks auszugleic­hen. Wenn in Virginia die Beschäftig­ung um ein Prozent zurückgeht, steigt die Arbeitslos­enrate dort im Schnitt nur um 0,2 Prozent. Weil sich die Menschen leichter tun, ihren Bundesstaa­t zu verlassen.

Grenzen gibt es auch für das Kapital. So sind seit der Euroeinfüh­rung die ausländisc­hen Investitio­nen in Spanien, Italien, Griechenla­nd und Portugal zwar gestiegen. Doch investiert wurde vor allem in den Finanz- und Bankensekt­or und in die Bauwirtsch­aft. Ausländisc­he Geldflüsse in Fabriken blieben dagegen bescheiden (siehe Grafik). Dabei sind solche Investitio­nen des Industriek­apitals in der Regel nachhaltig­er. Sie würden auch die Produktivi­tät steigern, sagt die EZB.

Hinzu kommt, dass grenzübers­chreitende Geldflüsse bei der Abfederung von Schocks hilfreich sein können. Die Idee dahinter: Wenn die griechisch­e Wirtschaft einbricht und Profite fallen, ist es für das Land hilfreich, wenn nicht nur griechisch­e Firmen leiden, sondern auch jene im Ausland.

Die Ökonomen Mathias Hoffmann von der Uni Zürich und Bent Sørensen von der Uni Houston zeigen in einer Studie, dass diese Art von Risikovert­eilung in den USA gut funktionie­rt. Weil Investoren aus Ohio Fabriken in Texas besitzen und umgekehrt, werden Schocks innerhalb einer Re- gion besser abgefedert. In der Eurozone hingegen ist das kaum möglich, weil der „Norden“wenig echte Investitio­nen im Süden tätigt. Ist der Euro also gescheiter­t? Nicht unbedingt.

Odendahl plädiert dafür, dass die Euroländer die wirtschaft­liche Divergenz durch Maßnahmen wie Investitio­nen in innovative Sektoren bekämpfen. Wie Sørensen for- dert er die Schaffung einer echten Kapitalmar­ktunion.

Durch einheitlic­he Regeln sollen grenzübers­chreitende Investment­s erleichter­t werden. Um Krisen im Finanzsekt­or abzufedern, sei zudem eine europaweit­e Einlagensi­cherung unabdingba­r. Statt des großen Wurfs sollen also viele kleinere Reformen den Euro retten.

 ??  ?? Promotiona­ktion bei Desigual. Der spanische Modekonzer­n ist weltweit tätig. Grenzübers­chreitende Investment­s können dabei helfen, Krisen abzufedern. Doch besonders in Südeuropa blieben sie aus.
Promotiona­ktion bei Desigual. Der spanische Modekonzer­n ist weltweit tätig. Grenzübers­chreitende Investment­s können dabei helfen, Krisen abzufedern. Doch besonders in Südeuropa blieben sie aus.

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