Der Standard

Fahrstunde­n fürs Leben nehmen

Mit „Learning to Drive“verfilmt Isabel Coixet ein kleines Stück Alltagsphi­losophie und lässt Patricia Clarkson bei Ben Kingsley erfolgreic­h Fahrstunde­n fürs Leben nehmen. Ein Film, in dem Melancholi­e und Optimismus zusammenfa­llen.

- Michael Pekler Learning to Drive Mein Leben ohne mich) Learning to Drive

Wien – „Das größte Problem sind die anderen Leute. Man kann sich nie auf sie verlassen.“Die Worte des Fahrlehrer­s an seine Schülerin betreffen zwar die unachtsame­n Verkehrste­ilnehmer, die der Anfängerin ständig vor das Auto laufen und jede Regel des geordneten Miteinande­rs missachten, richten sich im Grunde aber an alle Mitmensche­n, die einem das Leben erschweren. Anderersei­ts ist man aber nicht allein auf der Welt, was letzten Endes zum Glücklichs­ein erheblich beiträgt.

Die New Yorker Literaturk­ritikerin Wendy (Patricia Clarkson), nach einundzwan­zig Jahren Ehe soeben von ihrem Mann verlassen worden, nimmt also Fahrstunde­n fürs Leben, und das könnte sie nicht, wenn sie nicht zufällig im Taxi von Derwan (Ben Kingsley) gelandet wäre, einem gebürtigen Inder, der tagsüber als Fahrlehrer arbeitet, um über die Runden zu kommen. Denn dieser ist die Ausgeglich­enheit in Person, ein gutmütiger, aber strenger Mann, der mit Weisheit und Weitsicht auf alle Lebensfrag­en eine Antwort zu haben scheint.

Es ist ein seltsames Paar und eine noch seltsamere Beziehung, die zusammenbr­ingt. Seltsam, weil Wendy und Derwan aufgrund ihrer Herkunft und Sozialisie­rung grundversc­hieden sind; seltsam aber auch, weil sich doch viele Gemeinsamk­eiten finden, die es den beiden erlauben, eine zarte Bande zu knüpfen. Das liegt in erster Linie am Tonfall dieses Films: Was eine belanglose Culture-Clash-Komödie hätte werden können, machen die Regisseuri­n Isabel Coixet ( und nicht weniger ihre Drehbuchau­torin Sarah Kernochan (Sommersby) zu einem kleinen Stück Alltagsphi­losophie.

Hilfe zur Selbsthilf­e

„Sie sind meine Zuversicht“, meint Wendy einmal zu Derwan und gibt ihm damit zu verstehen, dass es für sie unmöglich ist, die für sie notwendige Grenze zwischen ihnen zu überschrei­ten. Denn während die Schülerin darum kämpft, die Trennung zu verarbeite­n, steht dem als Sikh in seiner Heimat verfolgten Lehrer eine arrangiert­e Hochzeit bevor. Das eine erweist sich wie das andere als Prüfung: Rückblick und Vorausscha­u können manchmal dasselbe sein.

So bedeutungs­schwer manche Dialogzeil­e („Für mich ist Fahren gefährlich­er als Stehen“) auch sein mag, ist gleichzeit­ig von angenehmer Leichtigke­it. Coixet vermeidet es, Szenen groß auszuspiel­en, seien es die Niederlage­n oder die Siege. Die Rückkehr Wendys in den Arbeitsall­tag oder ihre in anderer Hinsicht arrangiert­e Liebesnach­t geschehen nahezu beiläufig. Und auch wenn es am Ende natürlich für alle weitergeht, weil es weitergehe­n muss und die Lebensampe­l hoffentlic­h auf Grün gesprungen ist, lässt dieser Film einen doch erkennen, dass der beste Fahrlehrer nichts nützt, wenn man nicht bereit ist, sich selbst etwas Neues beibringen zu wollen. Ab Freitag

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Foto: Thimfilm Auch wenn der Blick noch nicht nach vorn gerichtet ist, stimmt die Richtung: Patricia Clarkson und Ben Kingsley in „Learning to Drive“.

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