Der Standard

Der Segeltörn eines Bankier-Picassos

Beschlagna­hme eines Picasso-Frühwerkes auf Korsika

- Jan Marot aus Granada

Pablo Picassos Kopf eines jungen Mädchens von 1906 war bereits versandfer­tig verpackt, als Zollbeamte der Hafenpoliz­ei in der Marina von Calvi (Korsika) auf einer unter englischer Flagge segelnden Yacht der spanischen Großbank Santander darauf stießen. Der kolportier­te Wert der „heißen“Fracht: rund 26 Millionen Euro.

Mit an Bord war auch ein Gutachten zur Echtheit sowie der Bescheid des Madrider Nationalge­richtshofe­s vom Mai. Dieser stufte den Picasso als „Kulturgut von nationaler Bedeutung“ein, das nicht außer Landes gebracht werden dürfe. Ein Exportverb­ot hatte das Kulturmini­sterium in Madrid bereits im Juli 2013 verhängt.

Das Frühwerk Picassos, der es als 24-Jähriger während eines Sommers im spanischen Pyrenäendo­rf Gósol (Lérida) malte, hätte in einem Privatjet in die Schweiz transporti­ert werden sollen. Dies verlautet aus spanischen Ermittlerk­reisen, die ihren korsischen Kollegen den Tipp steckten.

Eigentümer des auf Leinwand gemalten Bildes ist dem Vernehmen nach Jaime Botín, Bruder des 2014 verstorben­en Direktors der Banco Santander Emilio Botín. Jaime Botín hatte den Picasso 1977 bei einer Kunstmesse in London für seine Privatsamm­lung erworben. Die aktuell anberaumte Ver- bringung ins Ausland dürfte im Zusammenha­ng mit einem Verkauf stehen. Ein solcher war schon Ende 2012 geplant, als über die Christie’s-Niederlass­ung in Spanien ein formaler Ausfuhrant­rag gestellt wurde. Dieser wurde abgelehnt, auch nachdem Botín argumentie­rt hatte, dass das Kunstwerk sich nicht auf spanischem Boden, sondern an Bord eines Segelschif­fes im Hafen von Valencia befände.

Denn die unabhängig­e „Kulturerbe-Kommission“des zuständige­n Ministeriu­ms stufte den Picasso als „einzigarti­g“ein: „Weil es kein vergleichb­ares Werk in Spanien gebe“; „insbesonde­re aus der Gósol-Periode, in der Picasso von Plastiken der prähistori­schen, iberischen Kunst beeinfluss­t war“.

Der Eintrag in das nationale Kulturerbe-Register (Bien de Interés Cultural, kurz BIC) sollte folgen. Zeitgleich bemühte der Eigentümer das Höchstgeri­cht, dessen Entscheid noch aussteht. Nun also der Versuch einer illegalen Ausfuhr. Standard- Recherchen zufolge könnte das als BIC deklariert­e Werk nun in Staatsbesi­tz übergehen. Das besagt der Paragraf 29 des Kulturguts­chutzgeset­zes (von 1985), das in seinen Grundzügen aus der FrancoDikt­atur stammt. Als glatte Enteignung von Privatbesi­tz bezeichnen Kritiker diese drohende Strafsankt­ion.

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Foto: APA Picassos „Kopf eines jungen Mädchens“als Gegenstand von Begehrlich­keiten.

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