LESERSTIMMEN
Notgedrungener Egoismus
Betrifft: „Flüchtlinge: Menschlichkeit statt Quoten“von Marion Hoffmann der Standard, 29. 7. 2015 Ihrem Bericht kann ich nicht nur voll und ganz zustimmen, ich möchte ihn noch ein wenig ergänzen.
Das derzeitige Flüchtlingsproblem ist nicht mit der Situation nach dem Ungarnaufstand oder mit dem Zerfall Jugoslawiens zu vergleichen. Damals sind Flüchtlinge aus Nachbarländern mit ähnlicher Kultur zu uns gekommen. Österreich war meines Erachtens ein Durchzugsland, und verhältnismäßig wenige sind in Österreich geblieben. Auch war es viel besser möglich, sie in ländlichen Gebieten vorübergehend unterzubringen, wo sie zu zumutbaren Arbeiten herangezogen werden konnten. Diese Strukturen haben sich, vor allem durch die Zersplitterung der Familie in Einzelpersonen und die Technisierung in der Landwirtschaft, inzwischen stark verändert.
Notgedrungen muss heute jeder Einzelne zuerst an sich selber denken. Dem Egoismus wurde so von oben herab Vorschub geleistet. Wer kann noch Wohnraum zur Verfügung stellen, den er nicht selber dringend braucht?
Welcher Single in einer Garçonniere könnte einen Flüchtling bei sich aufnehmen? Woher soll noch Solidarität kommen?
Vor diesem Hintergrund sind die Befürchtungen unserer Gesellschaft vor Flüchtlingen aus fernen Ländern, mit einer völlig anderen Kultur und Religion, durchaus verständlich. Die „Festung Europa“wird aber dem wachsenden Ansturm nicht auf Dauer standhalten können. Statt über Quoten oder Bewahrung der Heimat zu sprechen, wäre die Politik ganz im Gegenteil gut beraten, die derzeitigen Flüchtlinge so rasch wie möglich arbeiten zu lassen und zu integrieren, sie entweder ausgebildet zurückkehren oder zu Verwandten weiterreisen zu lassen. In einigen Jahren wird man diese ehemaligen Flüchtlinge hier dringend brauchen, um den unvermeidlichen künftigen Ansturm abzumildern. So könnte eine zukünftige humanitäre Katastrophe weitgehend vermieden werden. Johann Beck-Mannagetta
5020 Salzburg
Müde vom Einkaufen
Betrifft: „Sonntagsöffnung erneut auf dem Prüfstand“
der Standard, 3. 8. 2015 Eine Gesellschaft, die nicht mehr einen einzigen Tag in der Woche das Einkaufen lassen und Ruhe geben kann, ist meiner Meinung nach eine armselige Gesellschaft.
Einen Tag, an dem nicht alle Geschäfte offen sind, hochzuhalten, muss nicht nur religiös begründet sein, sondern das ist auch ein hoher kultureller Wert. Dass dieser nicht mehr erkannt wird, ist eine Tatsache. Schließlich leben wir in einer Konsumgesellschaft, wo Einkaufen oberste Priorität hat.
Für Sonntagsöffnung – ob nun generell oder „nur“in Touristenzonen – einzutreten ist nicht eine Abschaffung von „Bevormundung“, auch kein politischer Liberalismus, sondern Neoliberalismus, wo Selbstausbeutung und Konsum als Freiheit verkauft wird. Die Bücher von Erich Fromm
Haben oder Sein sowie Müdigkeitsgesellschaft von Byung-Chul Han sind aktueller denn je. Fragt sich nur, ob wir vor lauter Einkaufen noch Zeit und Muße finden, solche Texte zu lesen. Eva Maria Bachinger
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