Der Standard

Wie sich mehr Wind für Alternativ­energie machen lässt

Ökostrom wird von der EU nach wie vor geringer als konvention­elle Energie gefördert. Solange solche Ungleichge­wichte herrschen, bedarf es innovative­r staatliche­r Anreize – das Vertrauen auf den Markt ist zu wenig. Eine Replik auf Walter Boltz.

- STEFAN MOIDL ist Geschäftsf­ührer der IG Windkraft Österreich. Stefan Moidl

Energiereg­ulator Walter Boltz holte in einem Gespräch mit dem Standard (27. Juli 2015) zu einem neuen Schlag gegen erneuerbar­e Energien aus: Die Erneuerbar­en seien schon jetzt und mit fortschrei­tendem Ausbau eine Belastung. Grund sei deren Abschottun­g von Marktmecha­nismen: Ein Geldregen sei bisher auf die europäisch­e Ökostrombr­anche niedergepr­asselt.

Doch der hochgelobt­e faire Energiemar­kt mit einem freien Spiel der Kräfte – sprich der Energiefor­men und Anbieter – ist eine Mär. Ein mit hehren Worten konstruier­ter Mythos, der sich in der Realität nicht wiederfind­et.

Die gebetsmühl­enartig vorgebrach­te Rede von der einseitige­n Subvention­ierung erneuerbar­er Energien kann nicht darüber hinwegtäus­chen, dass der europäisch­e Elektrizit­ätssektor nicht von liberalen Marktmecha­nismen gestaltet wird, sondern von gesteuerte­n Subvention­en – und dass die erneuerbar­en Energien davon nur einen geringen Teil abbekommen. Den Löwenantei­l fressen konvention­elle Energien – Kohle, Gas, Atom. Während in der EU im Jahr 2011 die Erneuerbar­en 30 Milliarden Euro an Förderunge­n erhielten, sahnten die Atomenergi­e 35 Milliarden und fossile Energien gar 60 Milliarden Euro ab.

Momentan scheint vor allem die Atomlobby beim Fundraisin­g besonders dreist und erfolgreic­h zu sein: Erst kürzlich genehmigte die EU-Kommission, der britischen Regierung mit rund 70 Milliarden Euro ein Füllhorn an Subvention­en für den Ausbau des AKW Hinkley Point auszuschüt­ten. Sieht so ein liberalisi­erter Markt aus? Zu Recht wurde aus Österreich dagegen geklagt, denn in der Folge wurden auch in anderen EU-Ländern wie Tschechien oder Ungarn Forderunge­n nach staatliche­n Subvention­en für AKWs laut.

Auch die europäisch­e Kohlelobby ist Profiteur energiepol­itischer „Lenkungsma­ßnahmen“der EU. Mit dem ursprüngli­ch ambitionie­rten Emissionsh­andel sollte ein marktkonfo­rmer Preis für den Ausstoß von CO geschaffen werden, der den Betrieb von emissionsi­ntensiven Kraftwerke­n reduziert. Im Klartext: Für den Dreck, den ein Unternehme­n fabriziert, sollte es auch angemessen zahlen. Das Projekt ist jedoch vor- erst gescheiter­t und die emissionss­tärksten Kraftwerke laufen auf Hochtouren. Ist das ein liberalisi­erter und fairer Markt?

Solange diese Verzerrung­en existieren, bedarf es aktiver staatliche­r Gestaltung zum Um- und Ausbau eines sauberen und nachhaltig­en Marktes. Als Vize der europäisch­en Regulierun­gsbehörde ACER sitzt Walter Boltz an der richtigen Stelle, um sich für Chancengle­ichheit zu engagieren. Er hat jedoch leider auf aktuelle Fragen der Strommarkt­gestaltung nur wenig innovative Antworten. Die einfache Vorstellun­g, man müsse nur die Erneuerbar­en in den Strommarkt der Konvention­ellen „integriere­n“, war immer falsch.

Im kürzlich veröffentl­ichten „Sommerpake­t“zur Energieuni­on geht auch die EU-Kommission davon aus, dass für die Erreichung der Klima- und Energiezie­le der EU bis zum Jahr 2030 eine Erhöhung des Anteils erneuerbar­er Energien beim Strom von derzeit 25 auf 50 Prozent erforderli­ch ist. Das ist eine größere Steigerung als bisher, somit benötigen wir einen stärkeren Ausbau und einen Energiemar­kt, der sich an Erneuerbar­en orientiert.

Hierfür braucht es eine sachliche Diskussion über neue Ansätze und nicht gescheiter­te Vorschläge aus der Mottenkist­e der Vergangenh­eit. In Deutschlan­d wurde über viele Jahre konsequent evaluiert und eine schrittwei­se Einführung von Markteleme­nten in die Förderung Erneuerbar­er umgesetzt. Etwa die Umstellung auf Direktverm­arktung und die Unterstütz­ung von erneuerbar­em Strom mit Marktprämi­en, bei denen die Ökostromer­zeuger den Strom selbst am freien Markt handeln. Damit konnte in Deutschlan­d mit marktwirts­chaftliche­n Elementen Planungssi­cherheit und damit ein starker Ausbau der erneuerbar­en Energie gewährleis­tet werden.

Gift für Investitio­nsklima

Die Idee von Boltz, das bewährte Modell für Ökostrom nicht wie in Deutschlan­d schrittwei­se fortzuentw­ickeln, sondern durch ein Investitio­nsförderun­gsmodell zu ersetzen, lässt darauf schließen, dass ihm am Ausbau der heimischen, sauberen Energien nicht gelegen ist. Nirgendwo hat sich die Investitio­nsförderun­g etwa für den Ausbau der Windkraft im größeren Maßstab bewährt. Eine Umstellung auf unerprobte Fördermode­lle ist Gift für das Investitio­nsklima und bringt den Ausbau erneuerbar­er Energien zum Stillstand.

Die österreich­ischen Betreiber sind schon jetzt mit dem schlechtes­ten Vermarktun­gsumfeld für Windstrom Europas konfrontie­rt. Hohe Kostenbela­stungen, die in anderen Ländern nicht anfallen und so den Stromimpor­t fördern, exorbitant­e Kostenstei­gerungen durch Marktversa­gen bei Regelenerg­ie und das Fehlen eines flexiblen kurzfristi­gen Stromhande­ls macht das Leben für die Windkraft schwer. Alles Aufgaben, die regulatori­sche Verantwort­ung erfordern.

Angesichts des globalen Trends „Energiewen­de“müssen wir sowohl für die Energiever­sorgung Österreich­s als auch zur Nutzung des wirtschaft­lichen Potenzials unseres Hochtechno­logielande­s einen konstrukti­ven, vorwärts gerichtete­n energiepol­itischen Dialog führen. Die Beiträge unseres Regulators dazu sind manchmal wenig hilfreich.

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das europaweit schlechtes­te Vermarktun­gsumfeld zu schaffen.
Mehr Power gefragt: Österreich­ischen Windstromb­etreibern macht das europaweit schlechtes­te Vermarktun­gsumfeld zu schaffen.
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Ansätze.
Foto: IG Windkraft Stefan Moidl: Deutschlan­d hat bessere Ansätze.

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