Ukrainische Oligarchen wollen eigene Partei gründen
Zum einen hat der Ostukraine-Krieg ihre Geschäfte zu einem guten Teil zunichtegemacht, zum anderen fühlen sie sich von der Regierung in Kiew benachteiligt: Nun versuchen die reichsten Männer des Landes, ihre Interessen mit einer eigenen Partei zu wahren.
Auch für Kiew gilt: Wer nicht unbedingt bleiben muss, flieht vor den hochsommerlichen Temperaturen aufs Land oder ans Meer. Doch eine Gruppe der finanzkräftigsten Ukrainer nützt diese Tage, um sich ungestört zu treffen und ein Projekt zu besprechen: Die Oligarchen Wiktor Pintschuk, Rinat Achmetow und Sergej Taruta wollen eine eigene Partei gründen.
Die drei sollen einander schon mehrfach getroffen haben. Einige Zeitungen, wie die üblicherweise gut unterrichtete Komsomolskaya Prawda, wollen in Erfahrung gebracht haben, dass eine solche Partei vor allem die Bewohner im Osten und Süden der Ukraine ansprechen soll. Und das Newsportal Observator glaubt zu wissen, welche Motive hinter der Neugründung stecken: Unter der Regierung von Präsident Petro Poroschenko und Ministerpräsident Arsenij Jazenjuk haben vor allem die Oligarchen stark an politischem Einfluss verloren.
„Arbeit vieler Jahre zerstört“
Vor allem Taruta und Achmetow haben durch den Krieg im Donbass große Teile ihres Vermögens an die Separatisten verloren. Achmetow, der immer noch als reichster Mann des Landes gilt, meldete sich kürzlich in einem Interview mit Segodna zu Wort. Darin beklagte er die Lage in Donezk: „Was der Krieg in unserer Heimat angerichtet hat, ist unbeschreiblich. Die Arbeit vieler Jahre ist zerstört. Die Menschen sind geflüchtet. Und die, die geblieben sind, leiden.“
Eigentlich hatte Achmetow am 29. Juli mit 50.000 Menschen in der Donbass-Arena den 70. Geburtstag von Schachtar-DonezkTrainer Mircea Lucescu feiern wollen. „Doch derzeit ist kein Platz für Fußball und Feiern, weil die meisten Einwohner in Donezk unter dem Krieg leiden“, beklagte der Besitzer des Fußballvereins.
Auch Taruta, der 2014 einige Monate lang Gouverneur von Do- nezk war, hat zuletzt wiederholt sehr kritische Worte für die derzeitige Regierung gefunden. Kiew habe den Donbass bereits abgeschrieben, sagte er im Fernsehen. Er habe seit Kriegsausbruch „enorme Summen verloren“. Bereits im Herbst 2014 hatte er eine eigene Partei bilden wollen, doch das Projekt wurde letztlich doch nicht realisiert.
Pintschuk war bisher eher dafür bekannt, mehrere politische Projekte gleichzeitig zu unterstützen. Der Schwiegersohn von Alt-Präsident Leonid Kutschma hat laut Politikberater Taras Berezovets stark an politischem Einfluss verloren. „Die Regierung wirkt sehr abgekoppelt, das stößt bei den Oligarchen auf Unverständnis“, sagte Berezovets der Zeitung Komsomolskaya Prawda. Vor allem die angestrebte De-Oligarchisierung, die sich die Regierung auf die Fahnen geschrieben hat, mache Achmetow und Co nervös.
Der Politologe Wladimir Fessenko glaubt, dass das neue Parteiprojekt durchaus Aussicht auf Erfolg hat. Allein Achmetow beschäftigt fast eine halbe Million Menschen. Etliche seiner Betriebe sind teilstaatlich, Achmetow fungiert als Mehrheitseigner der Aktienanteile. Die Regierung hat eine Entlassungswelle angekündigt, das verunsichert die Menschen: Sie suchen nach Helfern.
Ressentiments wegen früher
Außerdem gibt es noch ein anderes Problem: Vor allem Achmetow hat die frühere Regierung sehr stark unterstützt, er finanzierte jahrelang Ex-Präsident Viktor Janukowitsch. Auch Pintschuk hatte sich mit Janukowitsch arrangiert. Berezovets: „Das haben eini- ge Vertreter der jetzigen Regierung nicht vergessen.“
Unklar bleibt vorerst, wie die neue Partei heißen soll und welche Politiker sie anführen werden. Ende Oktober finden Kommunalwahlen statt. Es mehren sich auch Hinweise, dass die Regierungskoalition in den nächsten Monaten auseinanderfallen könnte: Das Fünf-Parteien-Bündnis gilt als zerstritten und hochgradig heterogen. Beobachter sind sich jedenfalls einig: Trotz aller Verluste verfügen die Oligarchen nach wie vor über genügend finanzielle Ressourcen und Einfluss, sodass sie die politische Landschaft in Kiew kräftig aufmischen könnten.