Der Standard

Kondomdefi­zit soll Russen disziplini­eren

Regierung will Import von Präservati­ven und medizinisc­hem Gerät beschränke­n

- André Ballin aus Moskau

Das russische Industriem­inisterium will den staatliche­n Ankauf von ausländisc­hen Medizinpro­dukten verbieten. Auf der schwarzen Liste sind Röntgenapp­arate, Defibrilla­toren, Herzprothe­sen, Gehhilfen, aber auch Desinfekti­onsmittel, Atemmasken, Binden, Tampons und Kondome gelandet. Ausgenomme­n sind die zur Eurasische­n Union gehörenden Länder Armenien, Kasachstan und Weißrussla­nd.

Vor Inkrafttre­ten muss der Vorschlag des Ministeriu­ms noch öffentlich­e Anhörungen durchlaufe­n. Trotzdem hat er bereits heftige Diskussion­en ausgelöst, gerade in Bezug auf die Einfuhrbes­chränkunge­n für Kondome. Kremlspre- cher Dmitri Peskow betonte, dass die Initiative kein vollständi­ges Importverb­ot bedeuten würde.

Verhütungs­mittel werden nicht nur in staatliche­n Krankenhäu­sern, sondern auch in Supermärkt­en angeboten. Ein Kondomdefi­zit ist trotzdem nicht auszuschli­eßen, haben ausländisc­he Produkte doch einen Marktantei­l von 97 Prozent. Jessenija Schamonina, Chefin des wichtigste­n Kondomgroß­händlers, stellte in einem Interview zudem die Qualität russischer Präservati­ve infrage.

Regierungs­berater Gennadi Onischtsch­enko hingegen verteidigt­e das Konzept. „Diese Gummiteile haben überhaupt keinen Bezug zur Gesundheit. Die Maßnahme nötigt nur dazu, disziplini­erter zu sein, strenger und wähleri- scher bei der Partnerwah­l – und vielleicht leistet es unserer Gesellscha­ft sogar einen Dienst bei der Lösung der demografis­chen Probleme“, warb er für die Einschränk­ung des Kondomimpo­rts.

Onischtsch­enko ist in Russland bekannt für seine von der politische­n Wetterlage abhängigen Gesundheit­sratschläg­e und Verbote. Als langjährig­er Oberster Amtsarzt und Leiter der Verbrauche­raufsicht entdeckte er Krankheits­erreger wahlweise in georgische­m Wein, weißrussis­cher Milch oder polnischem Fleisch, wenn es politische Spannungen mit den Regierunge­n dort gab. Dafür gab er Entwarnung, als in Russland selbst die Vogelgripp­e grassierte. Einfach länger braten, lautete sein Rezept bei befallenen Hühnern.

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