Vater der politischen Swinger
Wie andere Parlamente mit Klubwechseln umgehen
Wien – Winston Churchill tat es gleich mehrfach. Er war ein Konservativer, ein Liberaler, ein Unabhängiger, dann wieder ein Liberaler und zu guter Letzt doch wieder ein Konservativer. Der legendäre britische Premier ist wohl der berühmteste politische Swinger.
Vielen galt er damit als unzuverlässiger Zeitgenosse und „Verräter“. Und die Britinnen und Briten beäugen politische Seitenwechsler bis heute mit großer Skepsis. So sehr, dass sie sich laut einer Umfrage auch im Fall eines Fraktionswechsels ihres Kandidaten eine „Nachwahl“wünschen, um darüber abstimmen zu können, sagt die in England geborene Politikwissenschafterin Melanie Sully im STANDARD- Gespräch.
Eine „Nachwahl“ist im britischen Wahlsystem jetzt für den Fall, dass ein Abgeordneter stirbt oder zurücktritt, vorgesehen.
Allerdings gehört es für britische Abgeordnete quasi schon jetzt zum guten Ton als Parlamentarier, dass sie sich einen Wechsel von ihren Wählerinnen und Wählern legitimieren lassen. Zwei Tory-Abgeordnete etwa, die zur EU-kritischen Ukip übergelaufen sind, „haben sich freiwillig einer Nachwahl gestellt – und beide wurden bestätigt“, sagt Sully.
Geld, wie es Überläufer im österreichischen Parlament ihrem neuen Klub einbringen (pro Kopf zumindest 48.118 Euro pro Jahr), kennen die Briten nicht. „Nur Oppositionsparteien haben Anspruch auf staatliche Förderung für ihre parlamentarische Arbeit, um den Finanzierungsvorteil der Regierungsparteien, die sich fast ausschließlich durch Spenden etwa von Unternehmen oder Gewerkschaften finanzieren, auszugleichen. Der Betrag wird auf Basis des Wahlergebnisses zu Beginn der Legislaturperiode fixiert. Ein Wechsel von Abgeordneten bringt der neuen Partei nichts und nimmt der alten nichts.“
Keine Rolle spielt Geld auch bei politischen Bäumchen-wechsledich-Aktionen in Estland oder Bulgarien. In beiden Ländern können, so Sully, Abgeordnete zwar den Klub jener Partei, für die sie gewählt wurden, verlassen, aber sie dürfen nicht in einen anderen eintreten. „Austritt bedeutet also Unabhängigkeit, aber nicht Untätigkeit“, denn Kooperation mit anderen Klubs ist erlaubt. p Mehr dazu auf derStandard.at