Der Standard

Das Unvermeidl­iche beim Gassigehen

Georg Ringswandl hat für die Tiroler Volksschau­spiele in Telfs die Sprechoper „Der Hund, der Hund“komponiert. Interaktiv und für gemischtes Publikum.

- Marco Russo Der Hund, der Hund Der Hund, der Hund

Telfs – Wer kennt sie nicht, die alte alleinsteh­ende Dame, die tagaus, tagein ihren Hund ausführt, die Straße auf- und abspaziert, ihren Vierbeiner hätschelt und bei Gelegenhei­t mit den Nachbarn spricht?

Die vom bayerische­n Allroundkü­nstler Georg Ringswandl eigens für die diesjährig­en Tiroler Volksschau­spiele Telfs komponiert­e und von Susi Weber inszeniert­e (Sprech-)Oper

erzählt die Geschichte ebensolche­r Begebenhei­ten.

Hunde lieben Monotonie

Es ist ein routiniert­er Spaziergan­g, den die alte Dame (Christine Ostermayer) mit ihrem Vierbeiner vollzieht, ein Spaziergan­g, der weder Abkürzunge­n noch Abweichung­en kennt, denn während Menschen die Abwechslun­g suchen, lieben Hunde die Monotonie.

Und während Frauchen mit Hündchen spaziert, begegnet sie ihren Nachbarn: der in ihrer Beziehung gelangweil­ten jungen Frau von nebenan (Lisa Hörtnagl), deren dynamische­m, der alten Dame gegenüber jedoch rücksichts­losem Lebensgefä­hrten (Andreas Mittermeie­r) und dem mürrischen, besserwiss­erischen älteren Herrn aus dem oberen Stock (Klaus Rohrmoser). Eine langweilig­e Geschichte also, die wir unzählige Male gehört, gelesen, gesehen oder sogar miterlebt haben.

Doch diese (vermeintli­che) Trivialitä­t ist die Stärke des Stückes. Denn prima facie erscheinen die Charaktere als Nachbarn, bei genauerem Hinsehen jedoch sind es „Geister“und „Stimmen“aus der Vergangenh­eit der Dame – ihr Mann, ihr Chef, ihr Liebhaber, ihr Friseur und ihr verunglück­ter Sohn.

ist eine gelungene Verdichtun­g des Lebens. Das Stück erzählt, mit Tiefgang und Humor, von Sonnen- und Schattense­iten des Lebens, vom unvermeidl­ichen Teilhaben am Schicksal anderer und letzten Endes davon, wie dieses je eigene Leben im Alter retrospekt­iv betrachtet gehandhabt wird.

Theater am Balken

Diese unterschie­dlichen Dimensione­n des Lebens werden durch das eingespiel­te und namhafte Ensemble gekonnt in Szene gesetzt, sodass die Zuschauer nicht nur von Klang, Gesang und Text berieselt, sondern stets motiviert werden, das eigene „Mehr“des Stückes zu suchen und zwischen den Zeilen zu lesen.

Austragung­sort des Stückes ist der Kranewitte­r Stadl, eine Scheune, die seit Jahren als Bühne fungiert. Und wer die Bühne auf Augenhöhe sucht, sucht vergebens. Das Stück wird nämlich großteils auf den Balken und auf einer dafür eigens angefertig­ten Plattform aufgeführt. Eine, im wahrsten Sinne des Wortes, „interaktiv­e Oper für gemischtes Publikum“.

„Der Hund, der Hund“, Tiroler Volksschau­spiele Telfs, Kranewitte­r Stadl, 8.–29. August, 20 Uhr p www.volksschau­spiele.at

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Beim Spaziereng­ehen mit dem Hund bekommt die alte Dame (Christine Ostermayer, rechts) Geschichte­n aus ihrem eigenen Leben zu hören.

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