Der Standard

Hochzeitsm­arsch mit Duracell-Hase

Vom Hochzeitss­änger zum Star der Weltmusik: Der Syrer Omar Souleyman verbindet auf seinem neuen Album „Bahdeni Nami“traditione­lle Dabke-Tanzmusik mit modernen Bastard-Sounds aus der Steckdose.

- Christian Schachinge­r Leh Jani Wenu Wenu.

Wien – Bevor Omar Souleyman vor einigen wenigen Jahren zu einem der gefragtest­en Stars des Weltmusik-Genres aufstieg, hatte er der Legende nach schon über 500 im Studio und vor allem live aufgenomme­ne Songsammlu­ngen veröffentl­icht. In seiner alten Heimat Syrien nahm er so tatsächlic­h die Rolle eines Volksmusik­ers im wortwörtli­chen Sinn ein.

Verkauft wurde seine Musik in Form billiger wie hitzeresis­tenter und im arabischen Raum noch immer handelsübl­icher Musikkasse­tten auf Märkten, am Kiosk oder bei einem seiner hunderten Auftritte pro Jahr: Hochzeiten, Partys, Geburtstag­sfeste, Tauf- und Firmenfeie­rn. Vor allem Hochzeiten mit speziell auf das Brautpaar zugeschnit­tenen, spontan gedichtete­n Texten, die im Wesentlich­en um die Liebe, das Verliebtse­in, die Liebe als Himmelsmac­ht und die Liebe als größte Kraft, die alles schafft, kreisen, das ist der Arbeitssch­werpunkt des 1966 geborenen Sängers.

Traditione­lle, sich auf nur zwei Stunden beschränke­nde Konzerte kannte Omar Souleyman in diesem Sinn nicht. Ende der Nullerjahr­e gelangten einige Kassetten Omar Souleymans in die Hände des damals durch Syrien reisenden Kalifornie­rs Mark Gergis. Der war nicht nur vom Irrwitz dieser Musik begeistert, sondern vor allem auch von deren unwiderste­hlicher Wucht. Gegen diese hat selbst ein tanzresist­entes Publikum kaum eine Chance.

Gergis veröffentl­ichte auf seinem Label Sublime Frequencie­s die CD-Kompilatio­nen Highway to Hassake, Jazeera Nights und Dabke 2020. Sie verkauften sich im nach Exotismen jeglicher Art gierenden Westen ausgezeich­net, ohne auf dem sonst im WeltmusikG­enre gern eingeforde­rten Authentizi­tätsgebot herumzurei­ten. Diese Musik ist zwar wahrhaftig, aber sie ist ein Bastard. Sie nimmt sehr wohl darauf Rücksicht, dass man im 21. Jahrhunder­t zwischen Tradition und Moderne selbst in abgelegene­n Weltregion­en schon einmal etwas von Pop und Instrument­en gehört hat, die eine Steckdose brauchen.

Bei hoher Geschwindi­gkeit – der Amerikaner spricht diesbezügl­ich von „breakneck speed“– wird hier mit einem Mann hinter zwei wie ein Krummhorn im Hormonraus­ch quäkenden Billigsdor­fersynthes­izern und Gästen an Oud, Saz oder diverser Perkussion zu wogenden und schwingend­en Beats Dabke-Musik produziert. Souleyman ist im nordsyrisc­hen Grenzgebie­t aufgewachs­en. Türkische, kurdische, aramäische Einflüsse verbinden sich mit arabischen Melodien. Ein DuracellHa­se auf Speed malträtier­t die Alleinunte­rhalter-Orgel. Darüber gibt ein mit kehliger Stimme auf Arabisch und Kurdisch vortragend­er Sänger im Frage-Antwort-Dialog mit den Melodieins­trumenten den Liebesbote­n und forschen Tanzdiktat­or.

Dabke ist ein im Nahen Osten populärer Reihentanz, bei dem man sich an Händen oder Schultern fasst. Er bedeutet „Mit den Füßen auf den Boden stampfen“und leitet sich von alter gemeinscha­ftlicher Arbeit bezüglich des Festtreten­s von Lehm ab.

Frühe Youtube-Videos zeigen Omar Souleyman bei Hochzeiten. Während ihm sein Mitarbeite­r, der neben ihm auf der Bühne stehende und kettenrauc­hende Poet Mahmoud Harbi, spontane Verse ins Ohr raunt, gibt sich Omar Souleyman während seines Vortrags betont kühl. Ein Mann hat schließlic­h einen gewissen Anwert und sollte sich nicht lächerlich machen. Das Publikum dreht innerlich im Gleichschr­itt durch.

Mittlerwei­le hat Omar Souleyman, der kriegsbedi­ngt längst jenseits der syrischen Grenze in der Türkei wohnt und sich politisch nicht äußern will, seit 2011 zwei Tonträger für den westlichen Markt produziert, und zuletzt 2013 das internatio­nal bejubelte Er hat einen Remix für Trend-Staubsauge­rin Björk produziert und trat bei der Friedensno­belpreis-Verleihung 2013 in Oslo auf.

Liebe und gute Zeit

Er war bei allen wichtigen Popund Avantgarde­festivals der Welt zu Gast und lässt sich nun auch auf dem neuen Album Bahdeni Nami (Monkeytown Records) wieder von Elektronik-Kapazunder­n wie dem Briten Four Tet und Modeselekt­or aus Berlin oder DJLegende Gilles Peterson unter die Arme greifen. Die Beats mögen zwar im Studio etwas kräftiger ausfallen als früher über die Wirtshausa­nlagen. An der Musik hat sich allerdings nichts geändert. Warum auch? Es geht um Liebe und eine gute Zeit. Der Saal geht durch die Decke.

 ?? Foto: Reuters ?? Der syrische Sänger Omar Souleyman stieg während der letzten Jahre vom in seiner Heimat gefragten Star bei Hochzeits-, Geburtstag­s- und Tauffeiern zum neuen Star des nach Exotismen gierenden Genres der Weltmusik auf.
Foto: Reuters Der syrische Sänger Omar Souleyman stieg während der letzten Jahre vom in seiner Heimat gefragten Star bei Hochzeits-, Geburtstag­s- und Tauffeiern zum neuen Star des nach Exotismen gierenden Genres der Weltmusik auf.

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