Der Standard

Wo Grau farbiger als bunt ist

Philipp Gehmacher im 21er-Haus, João dos Santos Martins im Odeon

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Wien – Fortschrit­te können auch etwas bringen. Etwa ein Grauraum. Philipp Gehmacher ist begeistert vom Grau. Das ist nicht populär, Grau gilt als Gegenteil von bunt, als Spaßbremse: wie graue Gesichter oder Tage. Gehmacher sieht das anders. Bei Impulstanz zeigt er gerade sein Solo my shapes, your words, their grey, das er vor zwei Jahren vorgestell­t hat, als überarbeit­ete Neufassung im Museum des 21. Jahrhunder­ts.

Dessen Bau wäre ein White Cube, hätte er nicht diese irritieren­den Glaswände, die die übliche Schwarz-Weiß-Kategorisi­erung in Unordnung bringt: Black Box für die darstellen­de und White Cube für die bildende Kunst. In der Glass Box und mit den Ballonobje­kten von Tomás Saraceno – die aktuelle Ausstel- lung im 21er-Haus – im Hintergrun­d wird my shapes, your words, their grey zu einer neuen Performanc­e. Das Publikum umringt den Tänzer, der mit Gesten, Worten und Rechtecken aus verschiede­nen Materialie­n eine Welt vorführt, in der Grau das bessere Bunt ist. Publikum und Performer auf einer Ebene, die Bühnenhöhl­e als offener Platz, das „Mitspielen“der Arbeiten eines anderen Künstlers – das erzeugt eine Atmosphäre, in der Gehmacher zu einer beeindruck­enden Klarheit findet.

Sein Grau wird durch Zumischung­en lebendig. Durch gebrochene Farben, die in diese Zone des Nachdenken­s miteinflie­ßen. Mit seiner Grau-Utopie fügt der zwischen Choreograf­ie und bildender Kunst arbeitende Gehmacher der Pracht des Bunten genau dort Schaden zu, wo sie zum Klischee, zum Werberegim­e gerinnt. Ein Impulstanz-Highlight.

Ein solches hätte auch continued project von João dos Santos Martins sein können, das im Rahmen der Emerging-Choreograp­hers-Serie [8:tension] läuft. Doch der Parforce-Ritt durch die Tanzgeschi­chte des 20. Jahrhunder­ts auf der Rosinante des choreograf­ischen Konzeptual­ismus ist zu bunt geraten.

Mit Isadora Duncan, Yvonne Rainer und Tangoschri­tt, auch die im Tanz gerade übliche Tittydicky­performanc­e darf nicht fehlen, deckt Martins ausgerechn­et das Widerständ­ige am Konzeptual­ismus der späten 1990er-Jahre zu. Ein Zuviel also, das sich als viel zu wenig herausstel­lt. (ploe) Gehmacher: 8., 9. 8., Martins 7. 8.

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