Im Bann des Wespen-Voodoo
Eine Spinne als willenlose Sklavin: Forscher verleihen einer weiteren Spezies das Prädikat Zombie
Kobe/Wien – Soll nur keiner glauben, popkulturelle Moden würden an der Wissenschaft spurlos vorübergehen. Gleich mehrere Spezies haben in den vergangenen Jahren mit dem inoffiziellen Namenszusatz „Zombie“Schlagzeilen gemacht. Allerdings frisst nur eine davon Leichenteile, wie man es von einem modernen GeorgeRomero-Zombie erwarten würde: der Tiefseewurm Osedax, der sich auf die Knochen versunkener Walkadaver stürzt.
Fremdgesteuerte Sklaven
Die Bezeichnung der übrigen Kandidaten wurde anders als die des „Zombiewurms“von der älteren Wortbedeutung inspiriert, die heute fast schon vergessen ist und aus dem haitianischen Voodoo stammt. Im Vordergrund steht dabei nicht der Appetit des Untoten, sondern seine Willenlosigkeit: Sein Körper wird reaktiviert, um als Arbeitssklave zu fungieren.
Und auch zu dieser Mythologie gibt es in der Tierwelt Entspre- chungen. 2011 stellten US-Forscher „Zombieameisen“vor, die vom parasitischen Pilz Ophiocordyceps unilateralis befallen werden. Der Pilz übernimmt die biochemische Kontrolle über die Insekten, lenkt sie zu Orten, die für die Verbreitung seiner Sporen günstig sind, lässt sie sich dort festbeißen und schließlich sterben.
Nicht weniger ausgefeilt ist der natürliche Voodoo einer Wespenart, von der japanische Forscher um Keizo Takasuka in der aktuellen Ausgabe des mental Biology berichten. In die Rolle des Meisters schlüpft hier die Larve der Wespe Reclinervellus nielseni, als Zombie fungiert die Radnetzspinne Cyclosa argenteoalba. Beide Spezies fand der Biologe der Universität Kobe im Süden der Insel Honshu.
Es gibt zahlreiche Arten parasitischer Wespen, die ihre Eier auf oder in den Körpern anderer Insekten oder auch Spinnen ab- legen, die anschließend von den ausschlüpfenden Wespenlarven gefressen werden. Damit begnügt sich R. nielseni allerdings nicht, sie wird zur reinsten Marionettenspielerin.
Zunächst bringt sie die Spinne dazu, ihr Fangnetz aufzudröseln und an seiner Stelle ein schützendes Konstrukt zu weben – ähnlich dem, in das sich eine gesunde Spinne während der Häutung zurückziehen würde. Takasuka vermutet, dass die Wespenlarve die chemischen Signale der Hormone imitiert, die bei der Spinne Häutung und Wechsel zwischen den beiden Netzkonstruktionsweisen auslösen.
Allerdings ist ein herkömmliches Schutznetz der Parasitin nicht gut genug. Die „Zombiespinne“muss die Konstruktion mehrfach verstärken, damit die Wespenlarve während ihrer Verpuppung ungestört in ihrem Kokon ruhen kann. Hat die Spinne diese architektonische Sonderleistung vollbracht, saugt die Larve als letzten Akt ihr Opfer aus und begibt sich satt und sicher zur Ruhe.