Meditieren und Beten als Nikotinersatz für Häftlinge
Australien setzt in Gefängnissen ein Rauchverbot durch. Statt sich Zigaretten zu widmen, sollen Gefangene künftig Briefe schreiben oder Rumpfbeugen machen. Im Knast zeigt man sich alles andere als begeistert, in Melbourne gab es bereits eine Revolte.
Es dauert noch ein paar Tage bis zur Stunde null. Aber bei der Polizei im australischen Bundesstaat New South Wales bereitet man sich auf das Schlimmste vor. Eingreiftruppen stehen bereit, um jedes Anzeichen von Aufruhr niederzuschlagen. Am Montag wird in allen Gefängnissen ein totales Rauchverbot eingeführt. 11.000 Häftlinge müssen von einem Tag auf den anderen auf ihre Tschick verzichten. Wer will, kann auf Kosten der Steuerzahler eine achtwöchige Kur mit Nikotinpflastern beginnen. Danach bleibt den Gefangenen nur noch, nikotinhaltigen Kaugummi zu kaufen.
Träumen statt rauchen
Das Gefängnisdepartement unter der Leitung von Peter Severin hat eine Liste mit möglichen Ablenkungen erstellt, wenn die Nikotinlust zu groß wird: Meditieren könne helfen, Beten, Rumpfbeugen. Auch „das Schreiben an einen Liebsten“sei hilfreich oder das Lösen von Kreuzworträtseln. Wem das nicht als Ablenkung genüge, der kann „von der Zukunft träumen“, so das Departement. In New South Wales rauchen drei Viertel aller Gefangenen. Viele von ihnen sind schon seit ihrer Jugend süchtig. Das Nein zur Zigarette gilt auch für Gefängniswärter. Die können allerdings zum Rauchen die Anstalt verlassen.
„Folter“nennt Brett Collins von der Organisation Justice Action das Rauchverbot für Häftlinge. Der Bankräuber saß selbst zehn Jahre hinter Gittern. Heute setzt er sich für die Belange von Gefangenen ein. Rauchen sei nicht nur ein „Ventil zum Stressabbau“, sagt er. Es sei eine der wenigen Freiheiten, die man hinter Gittern noch habe. Zigaretten seien auch eine wichtige Währung im Knast, so Collins. Man kaufe sich damit Gefälligkeiten von anderen Gefangenen, Respekt, ja sogar Sicherheit.
Doch dafür haben die australischen Behörden wenig Verständnis. Sie setzen das Verbot mit eiserner Hand durch. Als der Bundesstaat Victoria bereits Anfang Juli das Rauchverbot einführte, gab es in einem Gefängnis in Melbourne eine Revolte. 300 Insassen stürmten mit selbstgemachten Schlagstöcken auf das Personal los und setzten Inventar in Brand. Erst nach 15 Stunden gelang es Antiterroreinheiten, die Lage wieder unter Kontrolle zu bringen. In New South Wales sei man daher für alle Eventualitäten gerüstet, heißt es vonseiten der Gefängnisverwaltung. Kompromisse gebe es nicht, was auch immer geschehe – „das Rauchverbot wird nicht zurückgenommen“, so Severin.
Mit einem totalen Rauchverbot in Haftanstalten festigt Australien den Ruf, Vorreiter im Kampf gegen den Tabakkonsum zu sein. Das Land machte 2012 Geschichte, als es die restriktivsten Gesetze für den Verkauf von Zigaretten einführte. Seither können nur noch generische Verpackungen in grauer Farbe ohne Firmenlogo verkauft werden. Dafür blickt der Raucher auf das Foto einer krebsbefallenen Lunge und auf eine Todeswarnung. Auch der Preis für Tabakwaren wurde dramatisch erhöht. Eine Packung Zigaretten kostet umgerechnet bis zu 18 Euro. Seit der Einführung der Maßnahmen sei die Zahl der Raucher zurückgegangen, sagen Forscher.
Klagen der Tabakfirmen
Die Tabakindustrie hatte genau eine solche Situation verhindern wollen. Jahrelang zogen Unternehmen wie Philip Morris und British American Tobacco gegen die Pläne der Regierung vor Gericht. Sie meinten, mit dem Verbot von Markenzeichen wie dem Dromedar von Camel Filter und Markenlogos wie der ikonischen Schrift von Marlboro eigne sich Australien ohne entsprechende Kompensation die Markennamen der Firmen an. Doch die Industrie scheiterte mit diesem Argument in allen Instanzen.