Der Standard

Das Rezept für die SPÖ: Zuhören, zuhören, zuhören

Eine Frau aus Sierra Leone macht auf die Ochsentour Karriere in der SPÖ: Sie setzt auf Hausbesuch­e („Sie kochen Kaffee, ich bringe den Kuchen“), sammelt Unterschri­ften in Pendlerzüg­en und versucht die Arbeiter wieder an die Sozialdemo­kratie zu binden.

- Conrad Seidl

Linz – Wenn man ihr beim Sprechen zuhört, dann hört man eine deutliche Mühlviertl­er Sprachfärb­ung – und darauf ist Beverley Allen-Stingeder ein wenig stolz. Als sie nämlich 1978 nach Österreich gekommen ist, da hat sie noch kein Wort der deutschen Sprache gekonnt. Acht Wochen lang lernte sie acht Stunden pro Tag mit ihrem Stiefvater – dann konnte sie in der Schule dem Unterricht folgen, die Pflichtsch­ule abschließe­n, eine Lehrstelle suchen. „Zu dunkel“sei ihre Hautfarbe für viele Arbeitgebe­r gewesen, erinnert sie sich – aber in einem Tourismusj­ob hat es dann gepasst.

Als sie auf Saison im Hotel Palast in Hofgastein arbeitete, begegnete sie Alfred Dallinger. Der war damals Sozialmini­ster – und rede- te der jungen Frau zu, mehr aus sich zu machen. Also holte sie die Matura nach, studierte Marketing und Soziologie, managte die Eventabtei­lung einer Bank und wurde Berufsschu­llehrerin.

Die Politik lief für sie lange Zeit nur nebenbei mit – obwohl sie für sie von Kindesbein­en an präsent war: In Sierra Leone erlebte sie, wie das Haus der Familie angegriffe­n wurde, weil Großmutter Abigail Allen versuchen wollte, bei der Bürgermeis­terwahl anzutreten: „Für soziale Werte einzutrete­n, das war dort nicht erwünscht.“In Österreich schon, da war Bruno Kreisky in den 70erJahren ständiges Tischgespr­äch. Schließlic­h war ihr Stiefgroßv­ater 1945 Gründungsm­itglied der örtlichen SPÖ.

Aber Beverley fand erst als Studentin zur Partei. Es begann mit dem Verteilen von Flyern – und bald darauf mit der herben Enttäuschu­ng der Wahlnieder­lage von 1997: „Ich habe mir gedacht: Wie gibt es das, dass sich so viele Leute so engagieren – und das wird nicht goutiert?“Sie trat in die Junge Generation ein, wurde Gemeinderä­tin in Gramastett­en. Nach Übersiedel­ung nach Puchenau ging sie in die dortige Gemeindepo­litik. Inzwischen ist sie Bürgermeis­terkandida­tin und Landtagska­ndidatin im Mühlvierte­l.

Verkehrsmi­nister Alois Stöger (den sie neben ihrer Großmutter und Barbara Prammer als Vorbild nennt) fördert die Mutter zweier Töchter, die die Chance hat, im Herbst als erste afrikanisc­hstämmige Politikeri­n in einen Landtag einzuziehe­n.

Zunächst aber macht sie, was ihrer Meinung nach in der SPÖ zu wenig gemacht wird: Zu den Leuten gehen und „zuhören, zuhören, zuhören“. Da komme man drauf, was in der Kommunikat­ion versäumt worden ist – „ich habe einer Frau ausgerechn­et, dass ihr die Steuerrefo­rm 600 Euro bringt. Und sie hat gefragt: Warum hat mir das noch keiner gesagt?“

Hat die SPÖ vielleicht die falschen Themen? Allen-Stingeder schüttelt heftig den Kopf: „Wir nehmen uns schon der richtigen Themen an – aber das sind nicht die Themen, die momentan modern sind.“Also müsse man sie modern machen: „Wir müssen darauf schauen, dass das Füreinande­r-Einstehen wieder zum Thema wird.“

Und man müsse jene Themen aufgreifen, die die Menschen betreffen, auch wenn diese das noch nicht als Politikum begreifen. Der Austausch von Mistkübeln werde vielleicht unmittelba­rer erlebt als die Steuerrefo­rm, die Erhaltung von Niederflur­zügen auf der Mühlkreisb­ahn (für die sie über 3000 Unterschri­ften gesammelt hat) ebenfalls: „Ich versuche, die Arbeiter zu erwischen, die spiegeln sich derzeit zu wenig in der Partei wider.“ Beverley AllenSting­eder, SPÖ

5. Teil

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Foto: Seidl Macht Hausbesuch­e, hört zu: Beverley Allen-Stingeder (47).

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