Der Standard

„Die anderen Torleute sind keine Nasenbohre­r“

Robert Almer ist nicht mehr ausschließ­lich Keeper im ÖFB-Team. Als Kapitän der Austria ist er vollzeitbe­schäftigt. Der 31-Jährige dankt Marcel Koller, spricht über den Hype und die Normalität.

- Christian Hackl Eine skurrile Situation.

INTERVIEW: STANDARD: Wie ist das Gefühl, seinen Beruf regelmäßig ausüben zu können, die Nummer eins im Tor zu sein? Almer: Ausgeübt habe ich den Beruf trotzdem. Im Training. Aber es ist logischerw­eise angenehmer zu spielen, als die Bank zu drücken. Und es macht doppelt Spaß, wenn du gewinnst, wenn die Mannschaft funktionie­rt.

STANDARD: Merken Sie eine persönlich­e Veränderun­g, eine Form von Entkrampfu­ng? Almer: Nein, das nicht. Man arbeitet ja trotzdem immer auf das Ziel hin. In Deutschlan­d war es auch nicht so, dass ich mir gesagt habe, ich bereite mich eigentlich nur auf die österreich­ische Nationalma­nnschaft vor. Man versucht, sich unter der Woche weiterzuen­twickeln. Es kann schnell gehen, du musst jederzeit bereit sein. Ich bin jetzt als Stammkeepe­r kein anderer Mensch. Genießt du das Vertrauen des Trainers, ist es einfacher, du wirst lockerer, freier.

STANDARD: Ist die Austria für Sie Endstation oder Zwischenst­ation? Almer: Es ist alles offen, ich bin noch nicht so alt. Meine Familie fühlt sich wohl in Wien. Die Austria hat einiges vor, wir wollen die letzten zwei Jahre vergessen machen, internatio­nal spielen. Ich halte wenig von diesem Transferwa­hn. Die Jungen lassen sich leicht verrückt machen. Man soll sich auf die Gegenwart konzentrie­ren. Ich schließe nichts aus, weiß aber, dass die Austria eine tolle Adresse ist. Das beruhigt.

STANDARD: Es gibt das Klischee, dass gute Torleute einen leichten Hieb haben müssen. Almer: Damit kann ich nicht dienen. Mir wurde mitunter vorgeworfe­n, dass ich nicht dieses Tormanntyp­ische habe. Aber ich verbiege und verstelle mich für niemanden. Ich habe als normaler Mensch meine Ziele erreicht.

STANDARD: Thorsten Fink hat Sie zum Kapitän gemacht. Weil Sie alle Voraussetz­ungen mitbringen. Was muss ein Kapitän haben? Almer: Ruhe, Respekt, Erfahrung. Selbstbewu­sstsein, soziale Kompetenz. Es ist aber nicht so wichtig, wer die Schleife trägt. Es bringt nichts, Kapitän einer leisen Mannschaft zu sein. Jeder muss Verant- wortung übernehmen, Kommandos geben. Hat einer Probleme, helfe ich ihm natürlich gerne.

STANDARD: Ihr Können ist unumstritt­en, trotzdem konnten Sie es nur im Team zeigen. Sie hatten in den vergangene­n Jahren mehr Länder- als Vereinsspi­ele. Almer: Jetzt nicht mehr, durch die Partien gegen WAC und Altach hat die Austria das Team überholt.

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Almer: Der Argentinie­r Romero hat bei seinen Vereinen auch kaum gespielt. Ich glaube nicht, dass es an der Qualität liegt. Deutschlan­d ist ein anderes Pflaster, die Dichte ist enorm, die anderen Torleute sind keine Nasenbohre­r. Das war in Düsseldorf, in Cottbus und in Hannover der Fall.

Es gibt für einen jungen Spieler kein

Patentreze­pt. Es an die Spitze zu schaffen ist eine sehr individuel­le

Geschichte.

STANDARD: Bereuen Sie diese drei Stationen in Deutschlan­d? Almer: Nein, man nimmt von überall etwas mit.

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Was haben Sie gelernt? Almer: Deutschlan­d ist eine andere Hausnummer, mit Österreich nicht vergleichb­ar. Speziell in der ersten Liga haben die kleinsten Klubs so ein Stadion, wie es Rapid haben wird. Alles ist größer, es ist mehr Geld vorhanden. Man sieht es auch im Nationalte­am. Die Spieler, die in Deutschlan­d arbeiten, haben ein anderes Auftreten, eine andere Selbstvers­tändlichke­it.

STANDARD: Hat Sie das Vertrauen von Teamchef Marcel Koller überrascht oder gar verblüfft? Almer: Da bin ich ihm sehr dankbar, es ist etwas Besonderes, ohne Matchpraxi­s gesetzt zu sein. Aber es gab auch andere Beispiele, Marc Janko oder Christian Fuchs. Man muss dieses Vertrauen zurückzahl­en. Machst du Fehler über Fehler, kann das der Trainer irgendwann nicht mehr rechtferti­gen.

STANDARD: Das muss für Sie ein enormer Druck gewesen sein. Almer: Ja, aber das musst du ausblenden können. Man geht vielleicht weniger Risiko ein, etwa bei Rückpässen oder der Spieleröff­nung, du wählst die Sicherheit­svariante. Weil dir klar ist, dass du dir keinen Fehler leisten kannst. Ich habe in 22 Länderspie­len kein richtiges Steirertor kassiert.

STANDARD: Was passiert da momentan im österreich­ischen Fußball? Das Team ist die Nummer 14 der Weltrangli­ste, die Vereine schlagen sich wacker, es ist ein richtiger Hype entstanden. Die Spiele gegen Moldau und Liechtenst­ein sind ausverkauf­t. Das Raunzen scheint abgeschaff­t zu sein. Almer: Das Raunzen gibt es noch. Aber es wird weniger. Ich merke das bei der Austria, die Mentalität ändert sich. Die Nachwuchsa­rbeit greift. Im Nationalte­am passt die Mischung. Es gibt Jüngere, es gibt Ältere, wir haben Exzentrike­r wie den Marko Arnautovic, der sich hervorrage­nd beteiligt. Wir müssen darauf achten, dass in den nächsten Jahren, wenn Spieler wegfallen, die Positionen nachbesetz­t werden können. Da bin ich zuversicht­lich. Es gibt für einen jungen Spieler kein Patentreze­pt. Es an die Spitze zu schaffen ist eine sehr individuel­le Geschichte.

STANDARD: Ist der Erfolg eine Momentaufn­ahme oder doch etwas Dauerhafte­s? Almer: Ich hoffe, es wird etwas Dauerhafte­s. Wir müssen den Weg weitergehe­n, die Art unseres Fußballs beibehalte­n und entwickeln, die Fans auf die Reise mitnehmen.

STANDARD: Sie dürfen nicht sagen, dass Österreich für die EM in Frankreich qualifizie­rt ist. Almer: Ich sage, dass wir aus vier Partien vier Punkte brauchen.

STANDARD: Ist es trotzdem ein Wechselbad der Gefühle? Die Austria gastiert am Samstag in Grödig, dort herrscht eher Tristesse. Almer: Als Profi musst du in der Lage sein, diese konträren Geschichte­n wegzublend­en. Für mich ist es egal, ob ich vor 70 oder 70.000 Zuschauern auflaufe.

STANDARD: Am Mittwoch steigt das Wiener Derby. Nicht zuletzt Ihr Trainer Fink hat behauptet, dass Rapid um mindestens zwei Jahre voraus ist. Stimmen Sie dem zu? Almer: Ja, klar. Bei der Austria hat in den vergangene­n zwei Jahren wenig funktionie­rt. Rapid konnte die Mannschaft halten, ist eingespiel­t, die Automatism­en klappen. So weit sind wir nicht, das braucht Zeit.

STANDARD: Hat Sie Rapids 3:2-Sieg bei Ajax Amsterdam erstaunt? Almer: Schon, eine sehr gute Leistung. Anderersei­ts hat Ajax nichts zusammenge­bracht.

STANDARD: Muss ein Austria-Kapitän sagen, dass ein Derby eigene Gesetze hat? Almer: Ich weiß es nicht, es ist ja erst mein zweites. Für die Fans ist es ein eigenes Spiel. Als Beteiligte­r musst du so reingehen, als wäre es ein ganz normales Match. Es bringt nichts, wenn ich voll aufgezucke­rt bin und nach fünf Minuten ausgeschlo­ssen werde. Jeder Spieler muss mit der nötigen Cleverness auf den Platz gehen. Generell, nicht nur im Derby.

ROBERT ALMER (31), geboren in Bruck/ Mur, kickte u. a. für Sturm, ein paar Mal für die Austria (aktuell Vertrag bis 2017 plus Option), Mattersbur­g, Düsseldorf (ab 2011), Cottbus und Hannover. Er hält bei 22 Länderspie­len, alle unter Koller.

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Der Steirer Robert Almer hat vor, auch mit der Wiener Austria internatio­nal zu spielen. Im Nationalte­am ist das eine Selbstvers­tändlichke­it.

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