Der Standard

Die, die das Immunsyste­m stärkt

Die Echinacea wird rund um den Globus verwendet – etwa gegen Wunden und Erkältunge­n

- Felicitas Witte

Wien – 1885 soll der Homöopath Joseph Meyer in Nebraska eine Squaw beobachtet haben, als sie rosafarben­e Blumen zerquetsch­te. Der Pflanzensa­ft helfe, Wunden zu heilen, erklärte sie ihm. Echinacea heißt die von den Indianern als Medizin verwendete Pflanze, deren Fruchtbode­n sich in der Mitte der rosa Blätter bräunlich und stachelig hervorwölb­t – daher der Name echinus, lateinisch für „Igel“. Die Medizinmän­ner behandelte­n mit Echinacea Wunden, Verbrennun­gen, Insektenst­iche, Zahnweh, Magenkrämp­fe oder Schlangenb­isse. Der weiße Siedler Meyer brachte dann auch ein Echinacea-Präparat – „Meyers Blutreinig­er“– auf den Markt. Weitere Jahrzehnte später kam Echinacea auch nach Europa.

Forscher postuliert­en, die Pflanze stimuliere das Immunsyste­m, und bald wurde sie breit eingesetzt zur Vorbeugung und Behandlung von Erkältunge­n und Grippe. Heute ist Echinacea eines der am meisten verkauften rezeptfrei­en Mittel. Allein in den USA werden jährlich damit mehr als 100 Millionen Dollar erwirtscha­ftet. „Die Hersteller werben mit den Adjektiven „pflanzlich“oder „natürlich“und gaukeln damit vor, Echinacea habe keine Nebenwirku­ngen – das spricht viele Leute an“, sagt Markus Zeitlinger, klinischer Pharmakolo­ge an der MedUni Wien. „Außerdem erfüllt Echinacea das Bedürfnis, etwas für die Gesundheit zu tun, ohne sich abzumühen mit Sport oder gesunder Ernährung.“Zwar gebe es inzwischen viele Studien, die die Wirksamkei­t untersucht haben, „der Effekt war aber, falls überhaupt vorhanden, so gering, dass ich das nicht empfehlen würde“, sagt Zeitlinger. „Abgesehen von der geringen Wirkung wird immer wieder über Nebenwirku­ngen berichtet.“

Eine der umfassends­ten Studien stammt von Wissenscha­ftern aus Graz, München und den 6. Teil USA. Die Autoren hatten 42 Studien mit diversen Echinacea-Produkten mit insgesamt 4631 Teilnehmer­n analysiert. Einige der Präparate senkten das Risiko, eine Erkältung zu bekommen, um zehn bis zwanzig Prozent. 15 Prozent würde bedeuten, dass sich statt 500 von 1000 Menschen 425 erkälten. Weniger Beweise gab es für einen therapeuti­schen Effekt: In nur wenigen Studien verkürzte Echinacea die Erkältung und linderte die Beschwerde­n, in anderen nicht.

„Wenn die Dauer einer Erkäl- Echinacea gegen Infektione­n tung wie in der Studie durch Echinacea nur um 0,6 Tage verkürzt wird, finde ich das nicht sehr nützlich“, sagt Markus Lampert, klinischer Pharmazeut in Basel. „Das heißt aber nicht, dass alle Leute, die auf Echinacea schwören, etwas Unwirksame­s zu sich nehmen. Bei manchen wirkt es.“

Auch Matthias Rostock vom Institut für komplement­äre und integrativ­e Medizin an der Uniklinik Zürich sieht Echinacea nicht so kritisch. „Das Problem bei dieser und ähnlichen Untersuchu­ngen ist, dass Studien mit qualitativ schlechten Echinacea-Extrakten mit qualitativ hochwertig­en vermischt wurden“, sagt der Internist. „In Studien mit qualitativ hochwertig­en Echinacea-Präparaten bekamen Patienten deutlich seltener eine Erkältung.“Rostock betreut Patienten mit erhöhter Infektanfä­lligkeit, etwa solche mit Krebs oder Immunschwä­che. „Ich setze Echinacea gerne ein“, sagt er und erklärt Patienten immer, dass nicht alle, sondern nur manche darauf ansprechen. „Wir schauen dann, ob jemand von Echinacea profitiert.“

Eine große Rolle spiele zudem der Placeboeff­ekt. „Glaubt der Erkältete an die Therapie, erholt er sich schneller.“In einer Studie

mit 719 Probanden aus Wisconsin dauerte die Erkältung kürzer, und die Leute hatten weniger Beschwerde­n, wenn sie von der Wirkung der Echinacea-Extrakte überzeugt waren – egal, ob sie das Präparat oder ein Placebo genommen hatten.

Echinacea kann Geschmacks­störungen verursache­n, Darmbeschw­erden und, selten, allergisch­e Reaktionen. „Wer mit Echinacea positive Erfahrunge­n gemacht hat, kann es aber ruhig weiter verwenden“, sagt Lampert. Wer es zum ersten Mal ausprobier­en möchte, dürfe jedoch keine Wunder erwarten. „Bis es ein wirklich gutes Erkältungs­medikament gibt, gilt immer noch der alte Spruch: Eine Erkältung dauert ohne Behandlung eine Woche, mit dagegen sieben Tage.“

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Amerikas: Medizinmän­ner behandelte­n Verletzung­en mit Echinacea.
Ck to S :i to Fo Traditione­lles Heilmittel der Ureinwohne­r Amerikas: Medizinmän­ner behandelte­n Verletzung­en mit Echinacea.

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