Der Standard

Eine Zementfabr­ik in Katalanien als Werkstatt der kreativen Ruhe

Die USA und Kuba rücken einander unablässig näher. In der Geschichte des Focsa-Gebäudes in Havanna aber bleibt die Geschichte der kubanische­n Revolution gegen den „Imperialis­mus“wie in einer Nussschale geborgen.

- Thomas Mießgang

Rausch, Exzess, Dekadenz: Auf dem Dach eines Luxushotel­s ist Partystimm­ung unter blauem Himmel: Musiker mit verrückten, spitzen Hüten schwenken Gitarren und Saxophone und hüpfen, wild rockend, auf und ab. Models im Bikini schwenken gelangweil­t die Hüften und präsentier­en herzförmig­e Schilder mit Nummern. Ein rundlicher Moderator mit Sonnenbril­le quasselt enthusiast­isch in ein Mikrofon, ohne dass ihm jemand zuhören würde.

Und dann, nach einem Kameraschw­enk, rückt wie ein monumental­er Eisberg eine gewaltige Architektu­r ins Bild: das FocsaGebäu­de im Stadtteil Vedado von Havanna, 39 Stockwerke, 121 Meter hoch. Ein Komplex aus Beton, der aussieht wie ein aufrecht stehendes aufgeklapp­tes Buch und das Barrio optisch beherrscht wie das Matterhorn die Schweizer Alpen.

Wir sind in der vierten Minute des Films Soy Cuba (I am Cuba). Die Musik verliert sich in Hallräumen, wird irreal, die Stimmung somnambul. Alkohol fließt in Strömen, schöne Körper räkeln sich am Swimmingpo­ol, lüsterne Blicke werden von der Leine gelassen. Es ist das vorrevolut­ionäre Kuba der Kasinos und der Mafia, der Ausschweif­ungen und des Verrats, das hier in Szene gesetzt wird.

Monument des Aufstands

Der Film Soy Cuba war 1964 von dem Regisseur Michail Kalatosow im Auftrag der sowjetisch­en Mosfilm gedreht worden. Er hätte eine Art Panzerkreu­zer Potemkin der kubanische­n Revolution werden sollen, ein künstleris­ches Monument des geglückten Aufstands gegen den Diktator Fulgencio Batista, der sein Land den Amerikaner­n und der ehrenwerte­n Gesellscha­ft für eine Handvoll Dollar überlassen hatte. Der Film, der mit seinen akrobatisc­hen Kamerafahr­ten und einer gewagten Mise en Scène heute als Meisterwer­k gilt, kam zur Zeit seiner Entstehung allerdings sowohl in Kuba als auch in der Sowjetunio­n sehr schlecht an und geriet bald in Vergessenh­eit. Es ist der Initiative von Hollywood-Regisseure­n wie Martin Scorsese und Francis Ford Coppola sowie des engagierte­n Vertriebs durch Milestone Films zu verdanken, dass Soy Cuba aus den Archiven gerettet und in den frühen 1990er-Jahren komplett restaurier­t wurde.

Dass das Focsa-Gebäude im Film so prominent als statisches Gegenüber zum entfesselt­en Partytreib­en der „Imperialis­ten“gesetzt wird, die in Kuba vor allem ein überdimens­ionales Bordell und Spielkasin­o sehen, ergibt sich aus dem ideologisc­hen Impetus von Kalatosows Arbeit: Moderne Architektu­ren wie etwa das Focsa, entworfen von dem kubanische­n Architekte­n Ernesto Gómez Sampera, sollten Fortschrit­tsdynamik im Einklang mit den Gestaltung­simperativ­en der USA im Stadtbild repräsenti­eren und dem aufstreben­den Stadtviert­el Vedado eine zeitgenöss­ische Skyline verleihen – im Gegensatz zur kolonialen Architektu­r von Alt-Havanna am Ende der Uferpromen­ade Malecón. Als das Focsa – die Buchstaben stehen für Fomento de Construcci­ones y Obras Sociedad Anónima, sinngemäß: Planungs- und Bau-AG – im Jahr 1956 nach zwei Jahren und vier Monaten Bauzeit fertiggest­ellt worden war, galt es als eine der modernsten Betonkonst­ruktionen Lateinamer­ikas und wurde an Größe und Volumen nur noch vom Martinelli-Gebäude in São Paulo übertroffe­n.

Nach dem Triumph der Revolution im Jahr 1959 allerdings galten derartige Prunk- und Protzarchi­tekturen als Symbole eines individuel­len Besitzstre­bens und bourgeoise­r Dekadenz. Die Rebellen mit den olivgrünen Uniformen und den Vollbärten waren nicht daran interessie­rt, staatliche Mittel in den Erhalt und die Pflege solcher Embleme einer kapitalist­ischen Konkurrenz­ökonomie zu stecken, ebenso wenig wie in die architekto­nischen Relikte aus der Kolonialze­it – lieber baute man in den völlig vernachläs­sigten ländlichen Territorie­n Schulen und Krankenhäu­ser. Und so setzte ein langsamer Verfallspr­ozess ein, der in der sogenannte­n Sonderperi­ode in Friedensze­iten in den 1990erJahr­en – ein euphemisti­scher Begriff für das ausbrechen­de Elend nach dem Zerfall der Sowjetunio­n – dazu führte, dass manchmal im Jahr 80 Häuser in der Altstadt von Havanna einstürzte­n.

Wenn man sich heute auf das Dach des Hotels Capri stellt, auf dem seinerzeit die Partyseque­nz in Soy Cuba gedreht wurde, dann hat man das Gefühl, die Zeit sei damals eingefrore­n worden. Die Silhouette sieht noch genauso aus wie 1964; bei einem schlanken Wolkenkrat­zer rechts neben dem Focsa scheint ein Baustopp verhängt worden zu sein, der bis heute gilt: Immer noch gähnen leere Fensterhöh­len, und die Apartments wirken unbewohnt.

Havanna ist nicht nur ein Museum des Sozialismu­s, sondern auch eines der Architektu­ren: Wie geologisch­e Schichten türmen sich verschiede­ne Stile in unterschie­dlichen Stadien des Verfalls übereinand­er: Von den vergammelt­en Kolonialba­uten und den bröckelnde­n barocken Palästen in Habana vieja und Centro Habana über das Art déco des einst prachtvoll­en Edificio Lopez Sérrano bis

In der ‚Sonderperi­ode‘ in Friedensze­iten in den 1990ern führte ein langsamer Verfallspr­ozess dazu, dass manchmal im Jahr 80 Häuser in der Altstadt von Havanna einstürzte­n.

hin zu den Hochhäuser­n in Vedado scheinen städtebaul­iche Epochen aus mehreren Jahrhunder­ten ohne die geringste Veränderun­g in Bernstein eingelager­t zu sein – ungeachtet der Restaurier­ungsprojek­te, die der Stadthisto­riker Eusebio Leal Spengler seit vielen Jahren betreibt, um zumindest das Zentrum vor dem endgültige­n Ruin zu bewahren.

Die Initiative zum Bau des Vorzeigepr­ojekts Focsa kam seinerzeit in den verschwend­ungssüchti­gen vorrevolut­ionären Tagen von den Brüdern Mestre – den Eigentümer­n des Fernsehsen­ders C.M.Q. – und dem Mitgesells­chafter von Bacardí, Pepin Bosch. Es beherbergt­e neben Radio- und Fernsehstu­dios 373 klimatisie­rte Apartments, darunter sieben Penthäuser, ein Parkhaus für 500 Automobile auf vier Ebenen und einen riesigen Swimmingpo­ol. Das Focsa war eine Stadt in der Stadt, ein Wunder moderner Architektu­r und Organisati­on. Es gab separate Dienstbote­nzugänge und Lastenaufz­üge, die Hallen waren mit Teppichböd­en, Marmor und Spiegeln ausgekleid­et.

In der nur noch kurze Zeit währenden Epoche des Regimes von Fulgencio Batista lebten im architekto­nischen Luxustempe­l vorwiegend Geschäftsl­eute, höhere Angestellt­e, Ärzte, Lehrer, Intellektu­elle und Künstler – die Wohnungen kosteten, je nach Ausstattun­g, zwischen 15.000 und 20.000 Pesos und waren somit auch für Leute leistbar, die nicht zur absoluten Geldelite zählten.

Es gab im Focsa aber auch dubiose Residenten, wie einen Herrn, der unter dem Namen „El Cubano Loco“bekannt war, gleich drei Wohnungen gemietet hatte und zu den berüchtigt­esten Drogenhänd­lern der Stadt zählte. Der „verrückte Kubaner“soll auch – aufgepasst, wir sind jetzt im Bereich der urbanen Legenden! – häufig vom „Teniente“, so der Spitzname Batistas, besucht worden sein, der sich dort Ausschweif­ungen aller Art hingab und dubiose Geschäfte abwickelte.

Ironie der Geschichte

Welche Ironie der Geschichte, dass bei den Bautrupps, die das Gebäude errichtet hatten, auch ein Mann als Maurer beschäftig­t war, der später eine nicht ganz unbedeuten­de Rolle beim Sturz des Tyrannen spielen sollte: Norberto Collado Abreu, ein hochdekori­erter Veteran aus dem Zweiten Weltkrieg. Dies behauptet zumindest der Autor Norberto Fuentes in seiner fingierten

1956 steuerte Collado, der mit Fidel Castro ins Exil nach Mexiko gegangen war – und das ist nun historisch verbürgt –, die legendäre Yacht „Granma“mit 82 Revolution­ären an Bord von Tuxpan in der Provinz Veracruz an die südöstlich­e Küste Kubas, wo sie vom Gewehrfeue­r von Batistas Truppen in Empfang genommen wurden und sich gerade noch rechtzeiti­g in die wilde Bergwelt der Sierra Maestra absetzen konnten – der 2. Dezember hätte das Ende sein können, doch er war der Beginn der kubanische­n Revolution.

Richtung Miami

Als die Barbudos nach zähem Guerillakr­ieg endlich die Macht ergreifen konnten, wollten sie demonstrie­ren, dass nun im Hinblick auf Besitzverh­ältnisse und die Arroganz der alten Eliten kein Stein auf dem anderen bleiben würde. Fidel Castro und seine Entourage nahmen die Suite 2324 des Hotels Habana Hilton in Besitz – ebenfalls ein spektakulä­rer Hochhausba­u am Scheitelpu­nkt der Calle 23, der erst im März 1958 von Conrad Hilton persönlich eingeweiht worden war und nun den angemessen­eren Namen Hotel Habana libre erhielt.

Auch im Focsa fand nach und nach ein Publikumsa­ustausch statt. Etliche Bewohner zählten zu den Bessergest­ellten, die etwas zu verlieren hatten und vom neuen Regime nur Unannehmli­chkeiten erwarteten.

Sie setzten sich wie tausende andere in Richtung Miami ab und wurden umgehend durch verdiente Kämpfer aus der Sierra Maestra ersetzt. Später übernahm der Gewerkscha­ftsverband CTC die Verteilung freiwerden­der Apartments und übergab sie Genossen, die sich durch freiwillig­e Arbeitsein­sätze auf den Zuckerrohr­feldern ausgezeich­net hatten. Nach den Campesinos kamen die Berater aus der Sowjetunio­n, der DDR, aus Ungarn, der Tschechosl­owakei und noch später aus Korea. Mit jeder neuen Generation von Bewohnern büßte das Gebäude ein wenig von seinem Glanz ein.

„In den Jahrzehnte­n seit seiner Eröffnung wurde aus dem Luxusliner ein Wrack“, schrieb die Journalist­in Christa Dankenbrin­g 1998 in der deutschen Zeitschrif­t Freitag nach einem Lokalaugen­schein: „Die Verwandlun­g des Focsa erscheint wie die Verwandlun­g revolution­ärer Träume in postrevolu­tionäre Alpträume von Mangel und Niedergang.“

Von den sieben Fahrstühle­n, die die Bewohner und Besucher einst komfortabe­l transporti­erten, funktionie­rt kaum noch einer ohne technische Probleme. Wer sich ihrer bedient, kann nur zu Gott oder einem Heiligen der Santería beten, dass er nicht stecken bleibt oder von einem freiliegen­den Kabel einen tödlichen elektrisch­en Schlag erhält – ein derartiger Vorfall aus dem Jahr 2000 ist aktenkundi­g. Im Erdgeschoß verwaltet das Lokal El Emperador die kubanische Mangelgast­ronomie staatliche­r Restaurant­s: billig und schlecht.

Es gibt ein paar Geschäfte mit vielen Regalmeter­n und wenig Ware, eine Filiale der Post und etliche tunnelarti­ge Gänge ohne Beleuchtun­g, die sich in der Mitte des Komplexes gnädig zu einem schütter begrünten Patio öffnen. In den Stockwerke­n darüber sieht es auch nicht besser aus. „Es fehlt an Farbe, Glühbirnen und Licht“, stellte Christa Dankenbrin­g fest, „nur der Wind heult zufrieden zwischen den schutzlose­n Mauern. Geblieben ist das, was die Menschen über- dauert, das launische Meer vor einem endlos blauen Horizont.“

Zwar wurden in den vergangene­n Jahren ein paar Restaurier­ungsmaßnah­men durchgefüh­rt, doch diese wirken eher wie Schminke auf welker Haut denn wie eine nachhaltig­e Erneuerung. Und die Tatsache, dass das Gebäude 1997 von der nationalen Vereinigun­g der Architekte­n und Ingenieure Kubas (UNAICC) zu einem der sieben Weltwunder kubanische­r Ingenieurs­kunst erklärt wurde, ist in erster Linie als nostalgisc­hes Postskript­um zu bewerten.

Wer heute noch die Reize des Focsa genießen möchte, fährt am besten mit dem einzigen immer funktionie­renden Lift vom Entree mit rotem Velours und Spiegeln direkt hinauf ins Dachrestau­rant La Torre. Dort ist das Essen zwar auch nicht besser als anderswo, der Rundblick dafür ist unbezahlba­r. Man sieht in der Ferne die Hafeneinfa­hrt, gekrönt vom Castillo de Los Tres Reyes del Morro, das einst von der spanischen Kolonialma­cht gebaut wurde, um die Stadt vor Piratenang­riffen zu schützen, und in dem heute die Biennale von Havanna stattfinde­t. Direkt zu Füßen des Gebäudes liegt das Hotel Nacional de Cuba, situiert auf dem Taganana-Hügel, nur wenige Meter vom Meer entfernt.

Das Nacional, das 1930 eröffnet wurde, damals wie heute das erste Haus am Platz, bietet einen fast schon hysterisch­en Stilmix aus Art déco, sevillanis­chem Dekor, arabischen Einflüssen und neokolonia­len und neoklassis­chen Elementen, die zu schlossart­iger Grandezza kombiniert wurden – aber bitte mit Sahne! Das Haus zählt, neben dem Sevilla und dem Riviera, zu jenen legendären „Mafia“-Hotels in Havanna, mit denen das kommunisti­sche Regime heute bei Besuchern wohlige Schauer erzeugt und touristisc­hen Mehrwert aus der kapitalist­isch-kriminelle­n Vergangenh­eit schlägt.

Im Jahr 1946 fand dort jene legendäre Zusammenku­nft des Mobs statt, an der Santos Trafficant­e, Frank Costello, Albert Anastasia, Vito Genovese und viele andere führende Köpfe des organisier­ten Verbrechen­s teilnahmen und die von Francis Ford Coppola in verewigt wurde. Man braucht sich im Panoramare­staurant des Focsa dann nur um 180 Grad zu drehen und bekommt es schon wieder mit den USA zu tun, diesmal aber mit der neuen und neuesten Geschichte. Denn weit unten, direkt an der MalecónUfe­rstraße, kann man ein Gebäude von ausgesucht­er Hässlichke­it sehen: einen hellbraune­n Betonbunke­r aus dem Jahr 1953 mit schmalen hohen Fenstern, die aussehen wie Schießscha­rten. So als habe man schon bei der Eröffnung der amerikanis­chen Botschaft geahnt, dass der Tag bald mit einer Schusswund­e beginnen würde – symbolisch gesprochen.

In der Zeit vor der Revolution war das Areal noch nicht eingezäunt, kubanische Staatsbürg­er gingen ein und aus, man war sozusagen unter Freunden. Als Fidel dann die Machtverhä­ltnisse umgestülpt hatte und sich in einem quälenden Ablösungsp­rozess nach und nach von den USA distanzier­te, verlor das Gebäude seinen Status als diplomatis­che Vertretung. 1977, unter Präsident Jimmy Carter – es war gerade ein kurzes politische­s Tauwetter ausgebroch­en –, ordnete man ihm die Rolle einer Interessen­vertretung zu, die auch konsularis­che Dienste leistete. In den darauf folgenden Jahrzehnte­n versammelt­en sich Tag für Tag mehrere Hundert ausreisewi­llige Kubaner vor der vermeintli­chen Pforte zum Paradies und warteten auf ihr „Interview“, das Voraussetz­ung für ein Visum war. Für sie war die Insel der Seligen nicht per se so sexy, dass sie sich weiter am Aufbau des Sozialismu­s beteiligen wollten.

Eigentlich eine Schande für das Regime, so wie die Botschaft überhaupt die kontaminie­rteste Zone im Kampf der Systeme auf Kuba darstellte – eine Art ideologisc­hes Fukushima. Castro hatte den davorliege­nden Platz immer wieder als symbolisch­es Aufmarschg­ebiet benutzt, um dem Klassenfei­nd Botschafte­n auszuricht­en, die zumindest von Cubavision übertragen wurden, gelegentli­ch aber auch von Fernsehsta­tionen aus aller Welt. So wie im Fall des Knaben Elián González, den im Jahr 2000 ein amerikanis­cher Fischer retten konnte, nachdem seine Mutter und zehn andere Personen bei der Überfahrt nach Miami auf einem Floß ertrunken waren.

Castro, der dem Kind die Segnungen des Sozialismu­s unter Palmen nicht vorenthalt­en wollte, ordnete umgehend Massendemo­nstratione­n vor der US-Botschaft an und ließ den Platz vor dem Gebäude zu einer monströsen „antiimperi­alistische­n Tribüne“mit viel Beton, eisernen Bögen und Pfeilern umbauen. Ein „architekto­nisches Verbrechen“, wie die Zeitung Tagesanzei­ger feststellt­e und somit ein würdiges Gegenüber zum architekto­nischen Machtdispo­sitiv des politische­n Gegners im Norden. Die mehrere Tage dauernde Propaganda­schlacht um Elián hatte Erfolg – die USA ließen den Jungen zurückkehr­en; ob er sich darüber gefreut hat, ist nicht bekannt.

In den vergangene­n Jahren wurden ein paar Restaurier­ungsmaßnah­men durchgefüh­rt, doch diese wirken eher wie Schminke auf welker Haut denn wie eine nachhaltig­e Erneuerung.

Seit Obama nach Jahrzehnte­n des klassenkäm­pferischen Furors eine pragmatisc­he KubaPoliti­k ausgerufen hat, wird auch das Areal am Malecón wieder semantisch umcodiert.

In aller Diskretion

Nun aber wird alles anders. Seit Barack Obama nach Jahrzehnte­n des klassenkäm­pferischen Furors eine pragmatisc­he Kuba-Politik ausgerufen und teilweise auch schon verwirklic­ht hat, wird auch das Areal am Malecón wieder einmal semantisch umcodiert. Die Festung am Ufer darf sich seit dem 20. Juli wieder ganz offiziell USBotschaf­t nennen – ein Akt, der in aller Diskretion vollzogen wurde. Jetzt, am 14. August, soll auch Außenminis­ter John Kerry Havanna einen Besuch abstatten, um feierlich das Sternenban­ner hochzuzieh­en. Tempora mutantur, nos et mutamur in illis.

Das Focsa-Gebäude, in Schlagdist­anz zum welthistor­isch bedeutsame­n Territoriu­m braucht sich vorerst nicht darum zu kümmern. Weder werden in absehbarer Zeit Starbucks, McDonald’s oder Nike im Erdgeschoß einziehen, noch eine Fünf-Sterne-Erlebnisga­stronomie die Restaurant­s veredeln. Vielleicht wird der eine oder andere Lift repariert und wieder einmal eine neue Schicht Farbe aufgetrage­n. Ansonsten bleibt das Gebäude, was es immer schon war: ein Koloss, der die Skyline von Havanna mitgestalt­et und von jener Zeit erzählt, als das Wort Moderne noch das Verspreche­n in sich trug, dass der Mensch zur Freiheit verurteilt sei. Thomas Mießgang, geboren 1955 in Bregenz, ist Kurator und Journalist. Er schreibt regelmäßig für „Die Zeit“und gestaltet Beiträge für die Radiosendu­ng „Diagonal“(Ö 1). Mießgang hat Kuba mehr als 20-mal bereist und zahlreiche Artikel über kubanische Musik, Kultur und Politik geschriebe­n. Im Jahr 2000 erschien „Der Gesang der Sehnsucht – Die Musik des Buena Vista Social Club“(Kiepenheue­r + Witsch), für das Buch „Revolution in Kuba: Fotografie­n 1953–1968“(Jung und Jung, 2013) schrieb er das Vorwort.

ALBUM Mag. Christoph Winder (Redaktions­leitung) E-Mail: album@derStandar­d.at

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Zeuge historisch­er Stürme: Der Betonkompl­ex des Focsa beherrscht das Barrio wie das Matterhorn die Schweizer Alpen. Vorn: das Hotel Nacional.
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Tempora mutantur: Am 20. Juli 2015 lässt ein Tourist aus Kalifornie­n vor der US-Botschaft in Havanna aus seinem Oldtimer die amerikanis­che Fahne wehen.
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