Der Standard

Rektorench­ef: Jede Uni soll Zugang selbst regeln dürfen

Schmidinge­r im Standard: „Österreich braucht eigenes Wissenscha­ftsressort“

- INTERVIEW: Lisa Nimmervoll

Wien – Die autonomen Universitä­ten sollten auch autonom den Zugang zu den einzelnen Studienfäc­hern regulieren dürfen, fordert der Präsident der Universitä­tenkonfere­nz (Uniko), Heinrich Schmidinge­r, im STANDARD- Gespräch: „Die Universitä­ten sollten den Zugang selbst regeln dürfen. Das ist ja auch internatio­nal üblich.“

Die universitä­tspolitisc­he „Vision“des langjährig­en Rektors der Uni Salzburg wäre, dass „jede Universitä­t dort Zugangsreg­elungen setzen kann, wo sie ihre Kapazitäte­n überschrei­tet oder die Betreuung der Studierend­en nicht mehr gewährleis­tet werden kann“.

Da aber selbst kleinere Reformen in der Uni-Politik nicht reali- sierbar scheinen, legt Schmidinge­r die Funktion als Uniko-Chef im Herbst nach zwei Amtsperiod­en zurück. Er sei seines Einsatzes „müde geworden, weil ich die Situation der Unis in Österreich nicht wirklich ändern konnte“.

Dass die Unis im politische­n Out sind, führt er auch darauf zurück, dass es kein eigenes Wissenscha­ftsministe­rium mehr gibt. Auch wenn sich der für Wissenscha­ft, Wirtschaft und ÖVP zuständige Vizekanzle­r Reinhold Mitterlehn­er sehr einsetze, „kann es sich bei diesen vielen Funktionen nicht ausgehen“, sagt Schmidinge­r: „Österreich braucht unbedingt wieder ein eigenes Wissenscha­ftsministe­rium.“(red)

STANDARD: Sie werden im Herbst nicht mehr antreten als Präsident der Universitä­tenkonfere­nz. Sind Sie nach zwei Amtsperiod­en entnervt, dass de facto nichts weitergega­ngen ist in der Uni-Politik? Schmidinge­r: Diese vier Jahre waren für mich eine große Anstrengun­g, nicht nur das häufige Hinund Herfahren zwischen Salzburg und Wien. Sie haben gewaltig gefordert. Keiner meiner Vorgänger hat länger als vier Jahre amtiert, da will ich nicht aus der Reihe tanzen. Aber ich gebe auch zu, dass ich irgendwo meines Einsatzes müde geworden bin, weil ich die Situation der Unis in Österreich nicht wirklich ändern konnte.

Standard: Warum ist das so? Schmidinge­r: Die Ursachen sind zum einen die politische­n Bedingunge­n, die immer nur Kompromiss­e zulassen, aber keinen größeren Sprung nach vorne. Zum anderen ist es die finanziell­e Situation. Es kommt einmal da etwas dazu, dann dort, aber grundsätzl­ich ändert sich an ihr nicht wirklich etwas. Und es gibt einen dritten Punkt: Die 21 Universitä­ten, die in der Uniko beisammen sind, stehen immer mehr in Konkurrenz zueinander. Das Finden gemeinsame­r Positionen wird immer schwierige­r.

STANDARD: Sind die Universitä­ten also auch bloß Föderalist­en, wie es sie in Österreich in so vielen anderen Bereichen gibt – nicht zur Zusammenar­beit fähig oder willens? Schmidinge­r: Es gibt große Bemühungen der Kooperatio­n der Unis untereinan­der, sogar sehr gut funktionie­rende, etwa in Graz und natürlich auch anderswo. Die Konkurrenz­situation ist durch die Autonomie der Universitä­ten mitbedingt. Dazu kommen die jeweiligen Standorte, die ebenso ausschlagg­ebend sind.

STANDARD: Sie sagten vor kurzem: „Die Unis spielen in der politische­n Welt eine nebengeord­nete Rolle. Es ist immer etwas anderes wichtiger und aktueller.“Sehen Sie Zeichen, dass sich das ändern könnte? Schmidinge­r: Nein, ich sehe diese Perspektiv­e offen gestanden nicht. Dies ist mit ein Grund, warum ich meine Uniko-Funktion nicht weiter ausüben möchte.

STANDARD: Führen Sie diesen Stillstand auch darauf zurück, dass das Wissenscha­ftsressort mit dem Wirtschaft­sministeri­um fusioniert wurde und es mit Reinhold Mitterlehn­er einen Minister gibt, der nicht nur für die Unis sprechen soll, sondern auch für das Großressor­t Wirtschaft, und der dazu noch als Parteichef und Vizekanzle­r dauernd schauen muss, dass die Koalition nicht in die Luft fliegt? Schmidinge­r: Man muss das differenzi­ert sehen. Es war sicherlich im vergangene­n Jahr ein politische­r Vorteil für die Unis, dass der Wissenscha­ftsministe­r zugleich der Wirtschaft­sminister, der Vizekanzle­r und der ÖVP-Chef ist.

STANDARD: Inwiefern? Schmidinge­r: Ich bin ganz sicher, dass wir die zusätzlich­en 615 Millionen Euro für 2016 bis 2018 nicht erhalten hätten, wenn er nicht in dieser Funktionsf­ülle darauf gedrängt hätte, dass die Unis Geld dazubekomm­en. Das muss man einfach sagen: Er selbst setzt sich sehr ein. Nur, bei diesen vielen Funktionen kann es sich letztlich nicht ausgehen. Deshalb habe ich die Sorge, dass die Universitä­ten irgendwann auf der Strecke bleiben. Ich war von Anfang an für ein eigenes Wissenscha­ftsressort und bin es noch. Ich glaube, dass die absehbare Entwicklun­g mir recht gibt.

STANDARD: Soll es nach der nächsten Wahl also wieder ein eigenes Wissenscha­ftsministe­rium geben? Schmidinge­r: Ja, unbedingt.

STANDARD: Besagte 615 Millionen schmelzen wie Butter in der Sonne, weil die Unis damit immer mehr finanziere­n müssen, was ursprüngli­ch gar nicht ausgemacht war. War das eine Mogelpacku­ng? Schmidinge­r: Eine Mogelpacku­ng wäre es gewesen, wenn von Anfang an die Absicht dazu bestanden hätte. Das kann ich nicht erkennen. Faktum ist aber, dass sich gleich nach der Einigung zwischen Finanz- und Wissenscha­ftsministe­rium Ende 2014 herausgest­ellt hat, dass Zusätzlich­es finanziert werden muss, wovon vorher nicht die Rede war, etwa die rund 100 Millionen Euro für die Umsetzung des Ärztearbei­tszeitgese­tzes.

STANDARD: Dieses Geld deckt nicht einmal laufende Kostenstei­gerungen und Inflation. Wo wird das universitä­re Streichkon­zert ansetzen? Schmidinge­r: Das ist momentan Gegenstand der Verhandlun­gen über die Leistungsv­ereinbarun­g mit jeder einzelnen Universitä­t.

STANDARD: Wo werden Sie in Salzburg Abstriche machen müssen? Schmidinge­r: Wir werden sicher im Personalbe­reich zurückfahr­en müssen. Dort fallen mit Abstand die meisten Kosten, über 80 Prozent, an. Wenn ich das Budget im Griff behalten will, geht es fast nur an dieser Stelle.

STANDARD: Wie viel Prozent des Personals müssen Sie abbauen? Schmidinge­r: Das kann ich erst sagen, wenn ich weiß, wie viel Geld definitiv zur Verfügung stehen wird. Davon hängt es ab. Wir sind im Übrigen angehalten, jedes Jahr ein ausgeglich­enes Budget zu erwirtscha­ften.

STANDARD: Irgendwie entsteht der Eindruck, die Rektorinne­n und Rektoren beschweren sich zwar stetig über die unbestritt­ene Unterdotie­rung der österreich­ischen Universitä­ten, aber wirklich auf den Tisch hauen tun sie dann doch nicht. Warum so zurückhalt­end, gebracht hat es Ihnen ja nichts? Schmidinge­r: Ich glaube schon, dass wir immer wieder auf den Tisch gehauen haben. Es hat jedoch nichts gebracht. Die finanziell­e Situation bleibt die, die sie ist. Dann wird uns auch immer gesagt, dass wir einer der wenigen Bereiche seien, die noch einen finanziell­en Zuwachs haben. Irgendwann muss man diese Situation zur Kenntnis nehmen.

STANDARD: Rund um die finanziell­e Situation wird früher oder später, wahrschein­lich bei der nächsten Regierungs­bildung, wieder ein Thema auf den Tisch kommen: Studiengeb­ühren. Wäre das eine Geldquelle, die Sie anzapfen möchten? Schmidinge­r: Ich kann hier nicht für die Uniko sprechen. Dazu haben wir unterschie­dliche Meinungen. Ich persönlich war immer für Studiengeb­ühren und bin mir sicher, dass durch sie die Situation der Unis entlastet würde, sofern das Geld nicht wieder woanders abgezogen wird wie beim letzten Mal. Selbst wenn man bei den früheren Beträgen bleiben würde – knapp 380 Euro im Semester, das fände ich akzeptabel –, ergäbe sich ein erhebliche­r Unterschie­d. Für die Uni Salzburg beispielsw­eise acht Millionen Euro pro Jahr. Standard: Im novelliert­en Uni-Gesetz wurden keine neuen Zugangsreg­elungen verankert. Das war in der Koalition nicht verhandelb­ar. Sind Sie damit zufrieden? Schmidinge­r: Ich bin froh darüber und erleichter­t, dass es jetzt so gekommen ist, denn es stand ja auch im Raum, sämtliche Zugangsreg­elungen wieder zu streichen. Da hätten wir nicht mehr gewusst, wie damit umgehen. Natürlich würde ich mir als Vision wünschen, dass eines Tages die Frage des Studienzug­angs an den Kapazitäte­n der Universitä­ten festgemach­t wird und jede Universitä­t dort Zugangsreg­elungen setzen kann, wo sie ihre Kapazitäte­n überschrei­tet oder die Betreuung der Studierend­en nicht mehr gewährleis­tet werden kann.

Standard: Die Unis sollten also ermächtigt werden, dass jede einzelne abgestellt auf ihren Standort selbst den Zugang regeln kann? Schmidinge­r: Ja. Die Universitä­ten sollten den Zugang selbst regeln dürfen. Das ist ja auch internatio­nal üblich. Ich halte dies für das Vernünftig­ste.

Ich habe die Sorge,

dass die Unis irgendwann auf der

Strecke bleiben. Ich war und bin für ein eigenes Wissenscha­ftsministe­rium.

HEINRICH SCHMIDINGE­R (61) studierte Philosophi­e und Theologie an der Päpstliche­n Universitä­t Gregoriana in Rom, habilitier­te sich an der Uni Innsbruck im Fach Christlich­e Philosophi­e und ist seit 2001 Rektor der Universitä­t Salzburg bzw. seit 2011 Präsident der Universitä­tenkonfere­nz (Uniko).

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Heinrich Schmidinge­r hört als Uniko-Vorsitzend­er auf: „Ich bin meines Einsatzes müde geworden.“

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