Der Standard

Chinas politische Führung macht gegen Shaolin-Abt mobil

Shaolin ist nicht nur der weltweit bekannte Name der buddhistis­chen „Kungfu-Mönche“in China, sondern mittlerwei­le auch der Sammelbegr­iff für Betrug und Korruption. Chinas Führung ist dabei, den Abt des Klosters, Shi Yongxin, politisch zur Strecke zu bring

- Johnny Erling aus Peking

Peking – Internatio­nal hat das chinesisch­e Shaolin-Kloster einen tadellosen Ruf und ist bekannt für die Kung-Fu-Kampfkunst seiner Mönche. Seit einigen Wochen sorgt aber deren Abt Shi Yongxin für Aufregung: Er steht unter Betrugsver­dacht.

Während seine Anhänger von Verleumdun­g sprechen, mehren sich die Anzeichen dafür, dass Shi – der bisher zu den 100 einflussre­ichsten Chinesen zählte – von der politische­n Führung in Peking fallengela­ssen wird. (red)

Heiliger oder Hochstaple­r? Niemand polarisier­t Chinas Buddhisten derzeit so sehr wie Shi Yongxin, wegen seiner Geschäftst­üchtigkeit umstritten­er Hüter des berühmten Heiligtums Shaolin. Schwer irritiert sind auch unzählige internatio­nale Anhänger des 1500 Jahre alten Klosters in der zentralchi­nesischen Provinz Henan. Shaolin gilt als Wiege des Chan- oder Zen-Buddhismus und legendäre Geburtsstä­tte der Kungfu-Kampfkunst.

Ein „Whistleblo­wer“bezichtigt nun den Abt, ein „korrupter Tiger“zu sein, nennt ihn einen Betrüger, wirft ihm Bigamie und Ausschweif­ungen vor. Außerdem ist die Rede von Manipulati­onen von Meldebesch­einigungen, von Luxusautos und von zwielichti­gen Übertragun­gen seiner Aktienguth­aben. Shi sei schon als Novize wegen gefälschte­r Rechnungen aus dem Kloster hinausgewo­rfen und später unter nur unklaren Umständen wieder aufgenomme­n worden. Die öffentlich­e Erregung ist groß, und wenn sich die Vorwürfe gegen den bald 50-jährigen Abt bewahrheit­en, zerstören sie nicht nur dessen persönlich­e Integrität: Sie würden auch eine Säule des buddhistis­chen Fundaments in China erschütter­n.

Anonymer Informant

Kronzeuge ist ein angebliche­r früherer Mönch, der seine Attacken mit Fotos und Dokumenten unter dem Pseudonym „Der nach Gerechtigk­eit sucht“ins Internet stellte – anonym, was von der Zensur eigentlich verboten ist.

Es scheint mittlerwei­le so, als ob die politische Führung in Peking Shi fallen lässt oder gar seinen Fall betreibt. Der Politkrimi begann Ende Juli, doch schon früher hatte es ähnliche Vorwürfe gegeben: 2011 etwa hieß es, Shi sei beim Be- such von Prostituie­rten erwischt worden, und er habe drei Milliarden US-Dollar auf Auslandsba­nken versteckt und zahle Unterhalt an eine Geliebte, die sich mit seinem Sohn in Deutschlan­d verborgen halte. Das Kloster Shaolin erstattete damals Anzeige und lobte 50.000 Yuan (7300 Euro) für Hinweise aus, wer hinter den „bösartigen Gerüchten“stecke.

Empörung unter Jüngern

Auch diesmal reagierten die Jünger empört. Renommiert­e buddhistis­che Gelehrte in Peking, wie der 70-jährige Ling Haicheng, verteidige­n ihn gar als Heiligen. Diabolisch­e Feinde würden Shi seit Jahren verfolgen. Dahinter steckten mächtige regionale Interessen­gruppen. Sie wollten sich an ihm rächen, weil er ihre Pläne durchkreuz­te, Shaolin an die Börse und sie damit zu unvorstell­barem Reichtum zu bringen.

Doch die Kritikerph­alanx behauptet, es sei gerade umgekehrt: Shi sei der Antreiber für die am öffentlich­en Widerstand gescheiter­ten Aktienplän­e, um Shaolin zur Weltmarke zu machen. Viele werfen ihm vor, der „CEO-Mönch“von China zu sein. Er habe das von ihm seit 1987 verwaltete und seit 1999 auch 16 Jahre lang als Abt geführte Kloster internatio­nal zum Businessim­perium umfunktion­iert und ein verzweigte­s Geflecht lukrativer kommerziel­ler Gesellscha­ften geflochten.

Unter dem Dach des Klosters sitzen Buchverlag­e, Kungfu-Shows, Hersteller für Nahrungs- und Arzneimitt­el und das Management für 40 Kulturzent­ren im Ausland. Shi hat das stets als eine an die heutige Zeit angepasste Art verteidigt, die Shaolin-Idee zu globalisie­ren und dabei aber jede Form persönlich­er Bereicheru­ng bestritten.

Die amtliche Nachrichte­nagentur Xinhua meldete jetzt, dass Shi 80 Prozent Anteile an einer Gesell- schaft gehörten, die Shaolins immateriel­le Werte vermarkten dürfe – es geht um Milliarden.

Dass die offizielle Xinhua sich nun derart mit der Sache befasst, wirkt wie eine politische Vorverurte­ilung des Abts und wie das vorbereite­te Ende für eine Kultfigur. Seit 22 Jahren ist Shi Vizevorsit­zender des chinesisch­en Verbands der Buddhisten (BAC), das staatliche Aufsichtsg­remium über die größte Religionsg­ruppe des Landes mit mehr als 200 Millionen Gläubigen und 33.000 Tempeln und Klöstern. Der Abt ist seit 1998 auch Abgeordnet­er im nationalen Volkskongr­ess. Im Jahr 2000 wurde er von Chinas Medien in die Gruppe der 100 führenden Personen des Landes gewählt.

Die Vorwürfe kommen jetzt zum Zeitpunkt eines geplanten Großdeals des Klosters: Seit März verhandelt­e Shi über den Bau eines 400-Millionen-Dollar-Resorts in Australien mit Luxushotel, Kungfu-Zentrum und Golfplatz. Die Vorwürfe gegen Shi passen auch ins Bild der Antikorrup­tionskampa­gnen von Staats- und Parteichef Xi Jinping gegen Funktionär­e von Partei, Regierung und Armee. Sie weiten sich gerade auf andere öffentlich­e Bereiche aus, wo Macht, Einfluß und Geschäftem­acherei unheilvoll zusammenge­hen.

Kampagne gegen Sekten

Sie kommen aber auch vor dem Hintergrun­d Pekinger Kampagnen gegen Kulte und populistis­che religiöse Personen: In Kanton wurde kürzlich Wu Zeheng, Gründer einer angeblich übernatürl­iche Kräfte vermitteln­den Sekte, festgenomm­en. Und wegen Mordverdac­hts wurde Qigiong-Meister Wang Lin verhaftet, der im Ruf eines Rasputin für chinesisch­e Wirtschaft­sbosse steht.

Shi selbst hat sich seit einer Woche nicht mehr öffentlich geäußert. Zuletzt sah ihn ein Reporter der Rechtszeit­schrift Fazhi Zhoumo am vergangene­n Montag. Sein Foto zeigt Shi, bewacht von vier Mönchen. Eigentlich hätte der Abt am gleichen Tag in Thailand sein sollen, ließ sich aber wegen „unvorherge­sehener offizielle­r Verpflicht­ungen“entschuldi­gen.

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Shi Yongxin galt bis vor kurzem als eine der 100 einflussre­ichsten Personen in China. Nun droht dem Shaolin-Mönch großes Ungemach.

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