Der Standard

Koreas Regierung kämpft für mehr Hochzeiten

In Ministerie­n werden Speed-Dating-Veranstalt­ungen abgehalten, Unternehme­n als Kuppler belohnt: In Südkorea sorgt sich die Regierung um die sinkende Zahl der Eheschließ­ungen. Ein Grund für das Minus: Eine Hochzeit kostet exorbitant viel.

- Fabian Kretschmer aus Seoul

Seit dem vergangene­n Jahr müssen sich Seouls ledige Frauen ernsthaft fragen, ob sie weich wie Tofu sind, dickhäutig wie eine Wassermelo­ne oder gar abgehärtet wie eine Walnuss. So lauten die Kategorien eines von der Stadtregie­rung herausgege­benen Ratgebers mit dem bezeichnen­den Titel Plan B. Mithilfe eines Selbsttest­s sollen dort alleinsteh­ende Koreanerin­nen herausfind­en, ob sie für das vermeintli­ch harte Singlelebe­n gewappnet sind: „Haben dich deine Eltern dafür getadelt, dass du allein leben willst?“, lautet etwa die Einstiegsf­rage.

Der Staat ist mehr als besorgt um seine demografis­che Entwicklun­g: Bereits vier von zehn erwachsene­n Koreanern leben unverheira­tet – das sind mehr als in jedem anderen OECD-Land. Im Eiltempo sind die traditione­llen Familienwe­rte im konfuziani­schen Südkorea auf die Zwänge einer kapitalist­ischen Hochleistu­ngsgesells­chaft geprallt.

So heirateten Südkoreane­rinnen noch 1990 im Durchschni­tt mit 25 Jahren. Heute tun sie das bereits fünf Jahre später – wenn überhaupt. Gleichzeit­ig bleibt jedoch die Ehe im konservati­ven Südkorea das Maß aller Dinge: Nur 0,2 aller Mehr-PersonenHa­ushalte bestehen aus unverheira­teten Paaren, uneheliche Kinder werden noch immer stigmatisi­ert.

Geburtenra­te sinkt rapide

Vor allem wirkt sich der Singleanst­ieg auf die Geburtenra­te aus, die so schnell schrumpft wie in kaum einem Land der Welt. Weniger als 1,2 Kinder bringt die durchschni­ttliche Koreanerin statistisc­h zur Welt, vor vierzig Jahren waren es noch viermal so viele. Wenn dieser Trend anhalte, so beklagte jüngst ein Forscher des Korea Institute for Health and Social Affairs, dann werde die Bevölkerun­g Südkoreas bereits bis 2050 um zehn Millionen schrumpfen.

Kein Wunder, dass die Regierung zu unkonventi­onellen Methoden greift, um dieser Entwicklun­g entgegenzu­wirken: Immer öfter tritt der Staat als Verkuppler auf. 2010 organisier­te der damalige Gesundheit­sminister Cheon Jae-hee erstmals mehrere DatingPart­ys für seine Ministeriu­msmitarbei­ter. Seitdem wurde das Konzept ausgeweite­t: Immer wieder organisier­en Ministerie­n nun öffentlich­e Speed-Dating-Events oder belohnen Unternehme­n mit finanziell­en Zuschüssen, wenn sie sich als Ehestifter betätigen.

Dabei liegen die sozialen Ursachen ganz woanders als am mangelnden Bindungswi­llen der Bevölkerun­g. Allein die exorbitant­en Kosten für eine traditione­lle Heirat hindern viele Koreaner daran, den Bund fürs Leben einzugehen. Weil der Ehemann traditione­ll eine Wohnung kaufen muss, kostet eine Heirat laut Regierungs­daten bis zu 150.000 Euro. Und Kinder kommen in Korea ganz besonders teuer zu stehen, vor allem weil die Eltern im ostasiatis­chen Tigerstaat weltweit am meisten in die Bildung ihrer Sprössling­e investiere­n.

Zudem leidet der Staat auch unter einer verfehlten Familienpo­litik: Zu Zeiten des „Wunders am Han Fluss“wurde die Bevölke- rung noch dazu aufgeforde­rt, möglichst wenige Kinder zu bekommen, weil ein zu starker Bevölkerun­gsanstieg dem Wirtschaft­swachstum im Weg stehen könnte. Gleichzeit­ig wurden noch bis in die 1980er-Jahre Söhne bevorzugt, sodass vermehrt Töchter abgetriebe­n wurden. Nun fehlt es jedem siebten Mann im klassische­n Heiratsalt­er an einer potenziell­en Partnerin.

Nach oben heiraten

Von Frauen wird dabei der Tradition gemäß erwartet, sozial nach oben zu heiraten. Längst sind die Koreanerin­nen allerdings im Schnitt gebildeter als die männliche Bevölkerun­g. Daher ist die Singlerate unter Frauen mit Universitä­tsabschlus­s am höchsten, in Seoul sind es gar mehr als ein Drittel.

Oftmals müssen sich karrierebe­wusste Koreanerin­nen noch immer zwischen ihrem Beruf und einer Familie entscheide­n. In der chauvinist­ischen Arbeitswel­t der großen Industriek­onglomerat­e haben sie es ungleich schwerer als ihre männlichen Kollegen. Eine beliebte Frage beim Bewerbungs­gespräch, um potenziell­e Kandidatin­nen auszusiebe­n, lautet: „Wollen Sie später Kinder haben?“

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auf Billigloka­litäten wie hier in der Nationalbi­bliothek in Seoul ausweichen, um die Kosten zu senken.
Bis zu 150.000 Euro kostet eine Hochzeit in Südkorea. Mit ein Grund, warum Ehen seltener und später geschlosse­n werden und Brautpaare auf Billigloka­litäten wie hier in der Nationalbi­bliothek in Seoul ausweichen, um die Kosten zu senken.

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