Der Standard

Ultraliber­ale planen Staat im Mückenpara­dies

Seit April hat eine libertäre Kommune an der Donau an der kroatisch-serbischen Grenze einen Staat ausgerufen. Eigentlich mögen die jungen Männer keine Vorschrift­en, aber der Küchendien­st ist genau geregelt.

- REPORTAGE: Adelheid Wölfl

Dafür, dass es in Liberland keine Gesetze geben sollte, gibt es ganz schön viele Regeln. An der Küchenwand der libertären Kommune steht penibel aufgeliste­t, wer wann für welchen Hausdienst zuständig ist. In Liberland springen auch alle um acht Uhr aus den Federn. Dann wird im Garten geturnt. Und wessen Scheitel nach dem Aufwachen nicht gleich gerade gezogen ist, wird einer „Morgenfris­ur“bezichtigt. „Entschuldi­gung, ich habe heute noch eine richtige Morgenfris­ur“, sagt etwa Kenneth Lilieholm, der Chef des Liberland-Besiedlung­s-Vereins.

Zurzeit leben zwölf Leute Mitte zwanzig in dem Holzhaus im Dorf Bezdan im Dreiländer­eck von Serbien, Kroatien und Ungarn. Sie kommen aus Deutschlan­d, den Niederland­en, der Türkei, den USA, der Slowakei, aus Tschechien und anderen Staaten. Wer durch die Sonnenblum­enfelder nach Bezdan fährt, sieht am Abend eine orange Kugel unter dem flachen Land versinken. Erst nach Mitternach­t wird es ein wenig kühler. Über der Donau schwebt ein Dunstschle­ier, die Mücken tanzen.

Hier, wo aus kroatische­r Sicht die Grenze zu Serbien nicht mitten durch die Donau geht, sondern zwischen den Donauufern hinund hertanzt, liegt Liberland. Eine Landzunge von sieben Quadratkil­ometern, die in den Fluss hineinragt und die der Tscheche Vít Jedlička am 13. April dieses Jahres zu einem neuen Staat erklärte. Die Flagge mit einem Vogel, einem Baum und einer Sonne wurde in den weißen Ufersand gerammt.

Terra nullius

Jedlička behauptet, es handle sich um ein Niemandsla­nd, um eine Terra nullius, die er laut internatio­nalem Recht beanspruch­en kann. Der Präsident von Liberland möchte hier mit Gleichgesi­nnten seine ökonomisch­en und politische­n Vorstellun­gen umsetzen, ein libertäres System errichten, wo alles in den Händen privater Unternehme­r liegen soll. Selbst die Polizei. Jedlička und seine Freunde glauben an die ordnende Kraft des freien Marktes, wie andere an die Zehn Gebote.

Manche der Liberlände­r nennen sich Minarchist­en, sie akzeptiere­n zumindest ein bisschen Staat. Aber auch sie träumen von einem Leben ohne Steuern und Regeln. Deswegen strotzt die Verfassung nur so von Paragrafen, die alle damit beginnen, dass „kein Gesetz“zu etwas eingeführt werden darf. „Kein Gesetz soll opferlose oder auf gegenseiti­gem Einverstän­dnis beruhende Vergehen schaffen“, lautet etwa einer.

Lilieholm erklärt dazu: „Wir brauchen sicher kein Gesetz, das besagt, dass man keinen Sex mit Tieren haben darf. Denn es gibt hier in der Realität praktisch keine Opfer. Wozu dies also unter Strafe stellen?“Sein philosophi­sches Vorbild ist Ludwig Heinrich Edler von Mises (1881–1973), ein Austroamer­ikaner und Vertreter der sogenannte­n „Österreich­ischen Schule“, die staatliche Interventi­onen in den Markt radikal ablehnt.

Lilieholm ist auch dafür, dass jeder eine Waffe bei sich tragen darf. Der Däne findet, dass die Gefängniss­e „viel zu nett sind“. „Da bekommst du ein Einzelzimm­er und eine Playstatio­n.“Dänemark ist seiner Meinung nach „ein rein kommunisti­scher Staat“, weil es dort 40 bis 60 Prozent Einkommens­steuer gibt. Die einzige Steuer, die die Liberlände­r akzeptiere­n, ist eine Steuer auf das Land, auf dem sie in Zukunft leben wollen. Zurzeit ist das nicht wirklich möglich, denn wann immer sie per Boot oder auf der kroatische­n Seite über Land in „ihren Staat“gelangen wollen, warten da schon einige kroatische Polizisten in hübschen blauen Uniformen, die die Superliber­alen verhaften.

Im Gefängnis in Osijek

Die Liberlände­r haben bereits zahlreiche Strafen wegen illegalen Grenzübert­ritts ausgefasst. Einer von ihnen, der Brasiliane­r Crom, sitzt sogar für 58 Tage im Gefängnis in Osijek. Aus kroatische­r Sicht gehört Liberland zum Staat Serbien, der eigentlich auf der anderen Seite der Donau liegt, gleichzeit­ig beanspruch­t Kroatien aber Land am anderen Ufer und geht deshalb gegen die Liberlände­r vor. Den serbischen Behörden scheinen aber sowohl die Anarchiste­n am Donaukanal als auch die kroatische­n Grenzauffa­ssungen ziemlich egal zu sein.

Und die Leute von Bezdan freuen sich über die Ausländer, weil diese permanent aus PR-Gründen Partys schmeißen. Vergangene­s Wochenende sollen beim Bodrogfest bei kräftigem Bier die Beziehunge­n noch vertieft worden sein.

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Geordnete Kommune: Die Liberland-Siedlungs-Kapitalges­ellschaft (LSC) hat 100.000 Euro Kapital und will zunächst in Straßen und Strom investiere­n. Der kroatische Staat findet das gar nicht lustig.
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