Hier ein Beißer und da ein „Queerulant“
Ligia Lewis und Ivo Dimchev zeigen ihre Qualitäten beim Festival Impulstanz
Wien – Der Beginn von Ligia Manuela Lewis’ Stück für den Performer Brian Getnick ist beeindruckend. Der Bühnenraum in vernebeltem, intensivem Hellblau, hohler Sound, eine einzelne Gestalt taucht im Nebel auf.
Was die Amerikanerin da bei Impulstanz im Schauspielhaus vorstellte, wirkt wie eine Ideenskizze der austrofranzösischen Regisseurin und Choreografin Gisèle Vienne oder eine Ableitung von Eszter Salamons Performance tales of the bodiless von 2011.
Tatsächlich war Lewis unter den Tänzerinnen bei Salamons jüngster Arbeit, monument 0 – haunted by wars (1913–2013). Zuvor hat sie unter anderem auch mit Jeremy Wade, Christoph Winkler, Kat Válastur und Superamas zusammengearbeitet. Nun ist sie dabei, sich als eigenständige Choreografin zu etablieren.
In präsentiert sie Getnick als College Boy mit schwitzigem Oberkörper, Halsketterl und in weißer Sporthose. Ein Adonis aus dem Wellnesskatalog, der nur ein besonderes Merkmal hat: eine glänzende Metall-Zahnprothese, wie sie Schauspieler Richard Kiel als Jaws („Beißer“) in zwei James-Bond-Filmen der 1970er-Jahre getragen hat.
In seinem blauen Nebel-Elysium bewegt sich Lewis’ Beißer wie ein Priester im Marihuanadusel, langsam, pathetisch, ganz in sich gekehrt. Der Wechsel hin zu Jean Anouilhs Antigone – „Ihr seid mir alle widerlich mit eurem Glück und eurer Lebensauffassung. Gemein seid ihr! Wie Hunde, die geifernd ablecken, was sie auf ihrem Weg finden“– steigert das Pathos noch.
Aber wenn der Gebissträger das herausbellt, hat es auch Witz. Wie bei Bond ist Beißer auch bei Lewis eher ein Dumpfkopf, aber jetzt eben als College-Model, und an- ders als der Bond-Beißer leidet diese Kitschfigur andauernd.
Sobald Lewis ihren Solisten in Samuel Becketts berühmten Monolog (1972) überführt, ihn aber bloß plump schreien lässt, stößt sie ihn endgültig in den Orkus. Den irrsinnigen Text hat Beckett seinerzeit erst von Jessica Tandy, dann von seiner Favoritin Billie Whitelaw sprechen lassen: Lippen, Zähne, Zunge, in abgedunkeltem Theater von einem einzigen Spot beleuchtet. Lewis vernichtet dieses Bild nachhaltig.
Natürlich hat Lewis eine ordentliche Portion Queerness in
geladen, die aber kein Vergleich mit der brillant aufgedonnerten „Queenness“von Ivo Dimchevs Figur ist, die im Mumok ein aufführt. Die Idee ist nicht sehr originell, aber lustig.
Das Publikum schreibt Meldungen in einen Facebook-Account, die der Diva in einen Kopfhörer gefunkt werden. Dimchev spricht den ganzen Unsinn nach und lässt seine Zuschauerinnen und Zuschauer erfahren, wie originell sie sind.
Seit elf Jahren wandelt Dimchev nun seine Figur Lili Handel ab. Sie wirkt nicht mehr ganz taufrisch, aber hat doch noch Charisma. Bei
gibt’s zu Beginn ein bisschen Porno auf den Leib gebeamt, dann zieht der bulgarische „Queerulant“ein Alzerl Blut aus der Ader, um sich damit zu besprenkeln. Und weil ein Bezug zur Mumok-Ausstellung ist das Ereignis gegeben sein soll, spielt er als sich räkelnde Muse der Geilheit mit einem großen Buch über den Wiener Aktionismus. Das hat Ironie. Dimchev wetzt an der heutigen Verehrung für den Aktionismus und setzt diesem seine zeitgenössische Dekadenz entgegen. Bei der Uraufführung hat sich das Publikum daher sehr gut unterhalten. „Facebook Theatre“am 10. und 13. 8.