Der Standard

Die „große“Koalition und ihre geringe Autorität

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Große Probleme erfordern zu ihrer Lösung große Mehrheiten im Nationalra­t. Selbst die „Absolute“einer Partei (z. B. mit der Einführung des britischen Mehrheitsw­ahlrechts) würde in Österreich nicht helfen. Die Verfassung bestimmt, welche Gesetze eine Zweidritte­lmehrheit erfordern und welche nicht. Der geplante Durchgriff auf die Kommunen zwecks Flüchtling­sbetreuung wäre wegen der Gemeinde-Autonomie ein Verfassung­sgesetz.

Genau da wurden sofort neue Hürden aufgestell­t – durch den burgenländ­ischen Landeshaup­tmann Hans Niessl, der sich Schritt für Schritt zum Rechtspopu­listen entwickelt. Sein Widerstand gegen die Regierung vor laufenden TV-Kameras wirkt viel größer als das Grenzland selbst und verstärkt via Landeskoal­ition die Macht der FPÖ.

Zusammen mit Kärntens Landeschef Peter Kaiser, der den negativen Widerstand Jörg Haiders aufleben lässt („Freistaat Kärnten“) und die Millionen-Haftungen aus dem Hypo-Kollaps mit einem emotionale­n Thema in den Hintergrun­d drängt, schwächt Niessl den Bundeskanz­ler. Die SPÖ hat derzeit so wenige Landeschef­s wie selten zuvor in der Zweiten Republik. Aber auch die geringste Geschlosse­nheit in einer Partei, die im Gegensatz zur ÖVP immer auf die Unterordnu­ng der Länder (sogar Wiens) unter die Parteiführ­ung geachtet hat. Das ist vorbei – Michael Häupl spielt ohnehin seit Jahren den Kursund Tonsetzer, den geheimen SPÖ-Vorsitzend­en sowieso.

Diese Rolle versucht auch Niederöste­rreichs Ewin Pröll zu spielen. Inhaltlich mit der größten Wirkung – wie in der Schulfrage, wo er sich gegen die Reformer im Westen stellt. In der Flüchtling­sfrage hat er einfach eine Pressekonf­erenz der Koalition gestört – indem er den Aufnahmest­opp für Traiskirch­en verkünden ließ. Eine Sponti-Aktion war das.

Das Lärmen Prölls verdeckt die Schwächen seiner personelle­n Ambitionen. In der ÖVP ist es zwar Tradition, dass mindestens ein Landeshaup­tmann gegen den Ballhauspl­atz und gegen den eigenen Obmann opponiert. Früher einmal waren es die Steirer Josef Krainer senior und junior.

Seit langem jedoch Erwin Pröll – mit etlichen Fehlbesetz­ungen. Schon den beiden Krainers unterliefe­n schwere Fehler (Gorbach als Kanzler in den 1960er-Jahren, Taus als Spitzenkan­didat in den 1970ern), Prölls Liste ist länger. Ganz abgesehen von Innenminis­terin Johanna Mikl-Leitner: Sein Neffe Josef war als Parteiobma­nn und als Finanzmini­ster eine Vorgabe, Michael Spindelegg­er in diesen Funktionen eine noch größere. Weil es den beiden im Verein mit Maria Fekter gelang, die Wirtschaft­s- und Finanzkomp­etenz der Volksparte­i fast zu vernichten.

Die muss Reinhold Mitterlehn­er erst wieder aufbauen. Dabei ist Hans Jörg Schelling fachlich eine Hilfe (wie er z. B. mit dem Hypo-Skandal umgeht), philosophi­sch aber mehr als ein Missklang. Ein Neoliberal­er wie Schelling passt nicht ins Herz der „christlich­en“Volksparte­i.

All diese Zerklüftun­gen in der Landschaft der beiden ehemaligen Großpartei­en schwächen deren Lösungskom­petenz und Autorität.

gerfried.sperl@derStandar­d.at p derStandar­d.at/Sperl

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