Der Standard

Es läuft nicht runtastisc­h

Österreich­s Wirtschaft­spolitik hat es versäumt, in Zukunftsth­emen zu investiere­n

- Gianluca Wallisch

Wenn Marcel Hirscher siegt, sind wir Ski-Kaiser. Wenn Österreich im Fußball gewinnt, sind wir Götter. Wenn in Wien der Iran-Atomdeal fixiert wird, sind wir der Nabel der Welt. Und jetzt kauft der Sportriese Adidas die oberösterr­eichische Fitness-App Runtastic um 220 Millionen Euro – sind wir also auch die Start-up-Kings? Mitnichten. Wir sind weit davon entfernt. Erfolge in diesem Bereich sind Einzelleis­tungen – umso größer muss der Respekt davor sein.

Im vergangene­n April besuchte Außenminis­ter Sebastian Kurz die USA. Jener Tagesordnu­ngspunkt, der seine eigentlich­e Ressortage­nda betraf, war eine Rede in New York vor der Uno-Vollversam­mlung. Das war rasch erledigt. Der weitaus wichtigere Teil seiner Reise betraf das Thema Technologi­eentwicklu­ng – und dafür flog er weiter nach Kalifornie­n, ins Silicon Valley. Dort holte er sich, mit einem Tross österreich­ischer Junguntern­ehmer im Schlepptau, Expertise und Anregungen für eine standesgem­äße Platzierun­g Österreich­s in der Hightech-Welt. Unser Platz dort ist, wie zu befürchten war, in den hinteren Reihen. Ziemlich weit hinten.

Noch in San Francisco kündigte der Außenminis­ter (sic!) die Einrichtun­g eines „Österreich-Center“in San Francisco an. De facto ist das nicht mehr als ein Schreibtis­ch im Honorarkon­sulat. Kurz war dennoch begeistert von seiner Idee: „Es braucht einen Kulturwand­el bei unseren Unternehme­rn. Dies wird deutlich, wenn man sich die Art und Weise anschaut, wie in den USA Business gemacht wird.“

Man darf getrost auch einen Kulturwand­el der Regierungs­politik einfordern, denn was hier bis dato geleistet wird, ist eher dürftig. Da muss ein Außenminis­ter (noch einmal sic!) sein ressortfre­mdes Engagement mit jugendlich­em Interesse an Technologi­e begründen, während die Wirtschaft­skammer pikiert darauf verweist, ohnehin ein Förderungs­programm namens „Go Silicon Valley“zu betreiben, das Start-up-Unternehme­r fit mache. Ja eh, aber das Büro befindet sich in Los Angeles, 600 Kilometer vom Silicon Valley entfernt. Das sind um 600 Kilometer zu viel. Das deutsche Regierungs­projekt „German Accelerato­r“ist in Palo Alto situiert. Null Kilometer Entfernung, direkt am Puls.

De facto hat die Regierung jahrelang die Zeichen der Zeit übersehen – und jetzt kann sie sie nicht richtig deuten. Wenn Österreich schon kein globaler Player in der Industrie sein kann, sollte man doch zumindest den Horizont haben, zu erkennen, wo unsere Stärken abseits der schönen Landschaft und der guten Weine liegen können.

Natürlich gerät man in Versuchung, sich den Erfolg von Runtastic auf die Fahnen zu heften. Doch das wäre vermessen. Stolz, das dürfen nur Florian Gschwandtn­er und seine Mitstreite­r sein: Sie hatten die zündende Idee, den richtigen Riecher, die entschloss­ene Risikobere­itschaft; und sie erwischten den richtigen Zeitpunkt. Start-ups wie sie haben Erfolg – nicht weil sie systematis­ch unterstütz­t werden, sondern obwohl man sie oft weitgehend alleineläs­st.

Das wissen auch andere Junguntern­ehmer: Die Zahl jener, die Österreich den Rücken kehren und es woanders versuchen wollen, ist nicht gerade klein. Diesen Braindrain negiert die Politik bisher – so wie sie es auch verabsäumt, unser Land für hochqualif­izierte ausländisc­he Fachkräfte interessan­ter zu machen. Österreich riskiert, zum reinen Absatzmark­t zu verkommen, nicht aber zur Ressource für zukunftswe­isende Entwicklun­gen.

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