Der Standard

Mut der Verzweiflu­ng

- Gudrun Harrer

Der Irak: ein vom Zerfall bedrohtes Land, im Krieg mit dem „Islamische­n Staat“, der einen Teil des Territoriu­ms kontrollie­rt, mit einer konfession­ell und ethnisch gespaltene­n Bevölkerun­g und Dritte-Welt-Lebensbedi­ngungen, von grassieren­der Korruption bis zu kaputter Infrastruk­tur. Und der Premier der diesen Verhältnis­sen ohnmächtig gegenübers­tehenden Regierung geht hin und kündigt tiefgreife­nde Systemrefo­rmen an.

Es ist der Mut der Verzweiflu­ng, der Haidar al-Abadi antreibt. Die Proteste der vergangene­n Tage an ganz unterschie­dlichen Orten im Land – ausgelöst durch die Verschärfu­ng des ohnehin stets akuten Elektrizit­ätsmangels – zeigen, dass zu den bestehende­n offenen Konflikten schnell noch ein weiterer dazukommen könnte: ein sozialer. Die Iraker haben die Nase voll davon, dass die Ressourcen dazu verwendet werden, die Bonzen der jeweiligen Gruppen ruhigzuste­llen, die die Staatsämte­r und Ministerie­n als Pfründen ansehen und auch so verwalten. Und die mit ihren Leibwächte­rn über Privatmili­zen verfügen.

Deshalb will Abadi den – von der US-Besatzungs­macht nach dem Sturz Saddam Husseins 2003 eingeführt­en – Proporz abschaffen, der etwa dazu führt, dass auch die Stellvertr­eterposten an der Staatsspit­ze multiplizi­ert werden müssen, für jede Gruppe ein Vizepräsid­ent etc. Schnell wird es nicht gehen, denn manches, was er plant, greift in die Verfassung ein. Und so richtig es ist, so gefährlich ist es auch: Nicht alle werden friedlich in die Rente gehen.

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