Der Standard

Hillman Minx, Auto für Masse und Klasse

Hillman Minx. In Großbritan­nien und Europa war er der Mittelklas­sewagen für die Arbeiter, in der DDR und der Tschechosl­owakei war er Limousine für die Privilegie­rten. Herr A hat in einer beheizten Garage in Tschechien einen Minx gefunden – einen fast neu

- Guido Gluschitsc­h

Burgenland – „Vielleicht war er beim diplomatis­chen Dienst – hatte die Devisen und die Möglichkei­t“, überlegt A, der, wie die meisten Oldtimer-Besitzer, lieber anonym bleibt. Er hat versucht herauszufi­nden, was der Tschechosl­owake damals machte, 1962, als dieser den Hillman Minx kaufte und nur ein Jahr später wieder verkaufte. Aber nur so viel können wir als halbwegs sicher annehmen: Der Mann war gutsituier­t.

Denn der Hillman Minx wurde in den 1960er-Jahren zwar in den Ostblock geliefert, dort hatte aber nur die Elite die Gelegenhei­t, so ein Fahrzeug zu kaufen.

Ganz anders war die Situation in Großbritan­nien, wo der Minx in Coventry – allein von 1945 bis 1956 fast 100.000-mal – vom Band lief. Hillman gehörte wie etwa auch Sunbeam, Humber und Singer zur Rootes Group. Die Briten setzten auf Badge-Engineerin­g, also darauf, ein Automodell unter mehreren Marken zu verkaufen.

So gab es den Hillman Minx auch als Singer Gazelle oder Sunbeam Rapier. Dabei war der Hillman eher der günstige, der Singer stets der luxuriöse und der Sunbeam der sportliche Ableger.

Doch in der Tschechosl­owakei sah das 1962 natürlich anders aus. Dort war der Hillman etwas ganz Besonderes. Warum der Erstbesitz­er sich dann nach nur einem Jahr von dem Wagen trennte? Das ist ein Rätsel, das A bis heute nicht lösen konnte. Der Zweitbesit­zer fuhr den Minx dann bis 2004, bis A ihn kaufte. Der Hillman war günstig, fast geschenkt. A holte den Engländer aus einer beheizten Garage. Nein, er durfte ihn dort heraushole­n, nachdem der Vorbesitze­r A für gut genug befunden hatte, sein Garagengol­d zu übernehmen.

Heute stehen 37.000 Kilometer auf dem Tacho. Der Minx glänzt im Erstlack, und außer einem neuen Kühler, einem Auspuff und ein paar Kleinigkei­ten am 50 PS starken 1600er-Motor hat der Wagen noch nicht viele Aufmerksam­keiten erbeten.

„Den Hillman zu fahren ist nicht ganz leicht“, sagt A. Die Gänge sind nicht synchronis­iert. Aber wenn man das Schalten mit Zwischenga­s beherrscht, ist er ein „problemlos­es Auto“. A nutzt ihn zum Spazierenf­ahren. Wohl auch nicht zu oft, wenn wir auf den Kilometers­tand schauen.

Erinnerung­en

„36 Autos habe ich bis heute besessen“, erinnert sich A. Und heute noch ist der Hillman nicht das einzige Fahrzeug im Fuhrpark, aber jenes, an dem er am meisten hängt. Weil es gebaut wurde, als A den Führersche­in machte, weil er A an seine Zeit in der Tschechosl­owakei erinnert, aber nicht, weil er ein Hillman ist.

„Ich wollte immer einen Mini haben“, erzählt A. Der Hillman sei ihm zufällig reingelauf­en. Vermutlich träumte 2004 kaum jemand von einem Hillman. Was aber wohl hauptsächl­ich daran liegt, dass die Marke heute kaum noch jemand kennt.

Sunbeam, ja, da seufzt bald einmal wer auf. Ein Singer, das ist schon was für die Feinspitze unter den Altblech-Freunden. Aber Hillman? Nie gehört.

Insgesamt sind derzeit 26 Hillman in Österreich angemeldet, verrät uns die Statistik Austria. Die meisten davon werden vermutlich Minx sein. 1932 kam das erste Modell auf den Markt, 1970 lief die Produktion aus, Avenger und Hunter lösten den Minx ab.

1976 ließ Chrysler, das neun Jahre zuvor die Rootes Group übernommen hatte, den Namen Hillman verschwind­en. Die Marke geriet schnell in Vergessenh­eit. Nicht einmal der Mechaniker, der den Minx überholen durfte, konnte mit der Marke etwas anfangen. Umso erleichter­ter war A, als er merkte, wie gut die Ersatzteil­lage ist. Auf der Insel gibt es immer noch alles, entweder original oder im guten Nachbau.

Doch viel braucht A ohnedies nicht. „Ich mache nur, was ich machen muss“, sagt er. Er ist sicher, dass es keinen zweiten Minx in diesem Zustand gibt, der so wenige Kilometer gefahren ist. Schon gar nicht in Österreich. Darum will er ihn so erhalten, wie er ist.

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 ??  ?? 50 PS aus einem 1,6-Liter-Vierzylind­er, Einzelrada­ufhängung vorn, Blattfeder­n hinten, Pressstahl­rahmen – in Großbritan­nien war der Hillman Minx Standard, im Ostblock Luxus.
50 PS aus einem 1,6-Liter-Vierzylind­er, Einzelrada­ufhängung vorn, Blattfeder­n hinten, Pressstahl­rahmen – in Großbritan­nien war der Hillman Minx Standard, im Ostblock Luxus.
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Der Hillman Minx von 1961 hat ein unverkennb­ares Heck, mit einem Ansatz von Flosse. Das Zentralins­trument erinnert an Armaturen von Yachten. Statt Einzelsitz­en hat der Hillman vorn eine Sitzbank.
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