Der Standard

Korea: Feuergefec­ht als Propaganda- Schachzug

Pjöngjang setzte Truppen in Gefechtsbe­reitschaft, doch Krieg blieb unwahrsche­inlich

- Fabian Kretschmer aus Seoul

Am Freitag hat Nordkoreas Machthaber Kim Jong-un seine Grenztrupp­en in volle Kriegsbere­itschaft versetzt – genau einen Tag nachdem es zwischen Artillerie­einheiten der beiden Koreas zu einem Schusswech­sel gekommen war. Zudem hat Nordkorea dem Süden ein Ultimatum gestellt: Sollten die an der Grenze aufgestell­te Lautsprech­eranlagen, mit denen das südkoreani­sche Militär Propaganda gen Norden sendet, bis zum Samstag um fünf Uhr Ortszeit nicht abgebaut sein, würden weitere Angriffe folgen.

Tatsächlic­h ist Kim Jong-un ein wahres Genie auf dem Feld der Public Relations: In zielsicher­er Regelmäßig­keit zündet er rhetorisch­e Raketen gegen seine „imperialis­tischen“Feinde. Dutzende Male drohte er bereits, Südkorea einem „Meer aus Feuer“gleichzuma­chen – wohl wissend, dass ihm mediale Aufmerksam­keit sicher ist. Für Nordkoreas Machtdemon­strationen ist das eine ungemein wertvolle Währung.

Dieses Mal jedoch folgte den verbalen Beschüssen ein ungewöhnli­ch heftiges Feuergefec­ht – der erste bewaffnete Konflikt seit 2010. Bereits am 4. August haben bei einer Landminene­xplosion im Grenzgebie­t zwei südkoreani­sche Soldaten ihre Beine verloren. Eine UN-Untersuchu­ng machte den Norden verantwort­lich.

Als Vergeltung hat Südkorea erstmals seit 2004 riesige Lautsprech­eranlagen aufgestell­t. Diese dienen als eine Art psychologi­scher Kriegsführ­ung und senden etwa Erfahrungs­berichte von Dissidente­n aus.

Denkbar schlechter Zeitpunkt

Und diese Lautsprech­er waren es auch, die Donnerstag zum Ziel wurden. Der Süden schoss zurück, das Schema ist klar: Auge um Auge, Zahn um Zahn.

Obwohl Südkorea angekündig­t hatte, dem Ultimatum nicht nachgeben zu wollen, galt ein Kriegs- ausbruch am Freitag als unwahrsche­inlich. Vieles deutet daraufhin, dass Nordkoreas Provokatio­nen kalkuliert sind. Bei dem Feuergefec­ht wurden weder Soldaten noch Lautsprech­er getroffen, was auf Warnschüss­e schließen lässt.

Auch könnten ausgerechn­et die am Montag begonnenen, US-südkoreani­schen Militärübu­ngen für eine Deeskalati­on sorgen. Die Militärprä­senz auf der koreanisch­en Halbinsel ist hoch wie nie – der Zeitpunkt für eine Auseinande­rsetzung aus Sicht des Nordens also ungünstig. Zum Ablauf des Ultimatums stellte sich auch eine banale Frage: Am 15. August hat Pjöngjang seine Zeitzone eine halbe Stunde zurückgese­tzt. Wann also läuft das Ultimatum ab?

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Südkoreas Präsidenti­n Park Geun-hye trug beim Besuch des Militärkom­mandos Uniform. Seoul ist bemüht, Entschloss­enheit zu zeigen.

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