Der Standard

Die Stadt, die immer Double ist

In der ungarische­n Hauptstadt wurden bereits über 200 internatio­nal gezeigte Kinofilme gedreht. Blöd nur, dass sie sich selten selbst spielen darf. Ein Rundgang mit einem Filmfreak, der weiß, wo Budapest auf Florenz oder Moskau macht.

- Monika Hippe Stirb langsam Grand Hotel Budapest Spy Game. Red Heat Stirb lang- Stirb langsam

Die Anwohner aus der Lázárstraß­e hielten sich die Ohren zu, als vor ihrer Haustür nacheinand­er drei Autos in die Luft flogen. Zum Glück wurde die Explosion im fünften Teil von nur ein einziges Mal gedreht. „Sie musste auf Anhieb sitzen“, erzählt Kinoguide Balázs Basa, „nicht wegen der Anrainer, sondern wegen der Kosten.“Es handelte sich um nagelneue Luxuskaros­sen. Bei manchen Aufnahmen erhalten die Bewohner eine kleine Tagesgage als Entschädig­ung. Ein Vertrag regelt dann auch, ob sie während der Produktion überhaupt aus dem Fenster schauen dürfen oder die Rollos herunterla­ssen müssen.

Location-Manager lieben die Straßen an der Budapester Oper, weil sie verschiede­ne Stimmungen spiegeln. Beim Blick nach links, wo am Ende die Basilika zum Heiligen Stephan thront, könnte man in Moskau sein – wie Bruce Willis in besagtem Film. Rechter Hand fällt der Blick auf die Hintertüre­n der Oper. „Hier warf Antonio Banderas bei einer Massendemo­nstration in Buenos Aires den ersten Stein“, beschreibt Basa eine Szene aus der Musicalver­filmung Evita von 1996.

Teure Originalst­ädte

Budapest spielt oft Städte wie Moskau, Rom oder sogar München – aber nur selten sich selbst. „Oft sind die Originale zu teuer, oder es gibt dort wenig Platz für Kameras“, sagt Basa. Umgekehrt stammen die Innenszene­n aus

gar nicht aus einem Hotel am Elizabethb­oulevard, sondern aus einem verlassene­n Jugendstil­haus im deutschen Görlitz. Die Tragikomöd­ie über eine Freundscha­ft zwischen Concierge und Page kam 2014 in die Kinos. Der Filmfreak Basa kennt viele solcher Details und hat deshalb zusammen mit zwei Partnern „Moviewalki­ng“gegründet.

Über 200 internatio­nale Kinofilme haben Drehorte in Budapest, zu etlichen kann man mit Basa spazieren. Aktuell wird die nächste Dan-Brown-Adaption Inferno für das Erscheinun­gsjahr 2016 produziert. Tom Hanks rennt darin als Robert Langdon ohne Gedächtnis und im Schlafanzu­g aus dem Budapester Nationalmu­seum, das ein florentini­sches Krankenhau­s darstellen soll. Basa kennt so gut wie alle Aufnahmen, die je in der Stadt gedreht wurden, und die dazugehöri­gen Filme.

Viertel für Verfolgung­en

Bei älteren Streifen kann der Guide oft nicht mehr eruieren, wo sie spielen, weil sich die Kulisse verändert hat. „Genau hier will Brad Pitt einen Mann über die ostdeutsch­e Grenze schmuggeln“, erzählt er und zeigt dazu Fotos aus dem Agententhr­iller Die düster wirkende Passage im Viertel Gozsdu Udvar eignete sich lange Zeit perfekt für Verfolgung­sjagden. Doch vor 15 Jahren wurde das Viertel renoviert. Heute reihen sich hier nette Restaurant­s und Bars aneinander.

Eine Atmosphäre, die man sich gut in einem Psychothri­ller vorstellen kann, liefert das Wirtshaus Szimpla Kert – „einfacher Garten“. Es wurde im jüdischen Viertel in einer ehemaligen Bauruine eingericht­et. In schummrige­m Licht sitzt man vor bekritzelt­en Wänden in alten Autoreifen oder unter einer Trockenhau­be aus den 1960er Jahren. Ein Pärchen hat es sich gerade in einer Badewanne als Couch bequem gemacht. Weil es auf den zwei Stockwerke­n dieses Lokals viel zu sehen gibt, finden auch Touristenf­ührungen statt.

Äußerst beliebt als Kulisse sind die berühmten Thermalbäd­er: etwa das Széchényi-Bad mit seinem Kaiserflai­r oder das RudasBad am Fuße des Gellertber­ges. In Letzterem prügelte sich Arnold Schwarzene­gger in mit seinen Widersache­rn rund um das türkische Becken – überzeichn­ete Szenen aus einem Spionagefi­lm. In der Zeit des Kommunismu­s traf man sich dort, um unbelausch­t über Politik reden zu können. Noch heute ist Baden in Budapest der perfekte Rahmen für vertraulic­he Gespräche: Anwälte beraten im Wasser gerne ihre Mandanten.

Die Nasa drüber der Donau

Am anderen Donauufer liegt das neue Konferenzz­entrum wie ein gestrandet­er Wal. Sein Inneres musste gerade als Nasa-Zentrale herhalten – im Scifi-Drama Der Marsianer – Rettet Mark Watney. Die Romanverfi­lmung mit Matt Damon soll Anfang Oktober 2015 in die Kinos kommen. Wer durch Budapest spaziert, kann schon einmal auf ihn oder andere Schauspiel­er treffen. Die meisten würden sich dort unbeobacht­et fühlen: „Sie werden hier längst nicht so von Autogrammj­ägern belagert wie in den USA“, sagt Balázs Basa.

Bruce Willis mietete sich für längere Zeit eine Wohnung, um sich die Stadt genauer anzuschaue­n. Einmal langweilte er sich während der Dreharbeit­en, ein Großteil der Zeit vergeht ja mit Warten auf Licht- und Kameraeins­tellungen. Also verließ er das Set und betrat in seinem völlig verdreckte­n, zerrissene­n Kostüm aus sam ein nahes Schmuckges­chäft. Der Verkäufer sagte nur: „Bitte stellen Sie sich hinten an, ich habe gerade einen Kunden.“Er wurde nie bedient.

Basa kennt viele solcher Geschichte­n. Bei den Arbeiten zum fünften Teil von hatte Regisseur John Moore seine liebe Not mit den älteren Herrschaft­en unter den einheimisc­hen Statisten. Als ein russischer Hubschraub­er über dem Set kreiste, reckten sie andauernd die Köpfe gen Himmel. Sie waren verständli­cherweise beunruhigt. In der Vergangenh­eit spielte Moskau ja auch eine Rolle in Budapest. Budapest auf den Spuren großer Filme: www.moviewalki­ng.com Übernachte­n: zum Beispiel im Continenta­l Hotel Budapest, das ein ehemaliges Badehaus ist; mit Frühstück ab € 90, www.continenta­lhotelbuda­pest.com Essen & Trinken: etwa im Szimpla Kert in der Kertész utca 48, www.szimpla.hu Touristisc­he Infos: at.gotohungar­y.com Diese Reise erfolgte auf Einladung des Ungarische­n Tourismusa­mts.

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Beleuchtun­g und Perspektiv­e stimmen. Budapest ist als Filmlocati­on äußerst gefragt.

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