Der Standard

„Problemdru­ck“der ORF- Gebühren noch „nicht so groß“

Alexander Wrabetz wirkt ganz so, als wollte er 2016 für weitere fünf Jahre zum ORF-Chef bestellt werden. Im Interview spricht er lieber über Kanäle für Youtube-Kanäle und die neue Fußball-App. Und wie rasch Schultersc­hlüsse enden, wenn es konkret wird.

- Harald Fidler

Wien – Wie nervös macht den ORFGeneral der Gebührenen­tscheid des Verwaltung­sgerichtsh­ofs? Dieses und zehn andere Probleme, Projekte und Pläne erklärt Alexander Wrabetz im Interview:

Keine Eile mit Gebühren Wer allein über Web Radio hört, muss keine Gebühren zahlen, entschiede­n die Höchstrich­ter. Wrabetz wirkt gelassen: „Der Problemdru­ck ist in den nächsten Jahren nicht so groß.“Höchstens ein paar Tausend Menschen konsumiert­en ORF-Radio allein über das Web.

Aber: „In zehn Jahren sollte es diese Gebührenlü­cke nicht mehr geben – dann könnte das schon relevanter­e Größenordn­ungen haben.“In „politisch nicht aufgeheizt­em“Klima stehe die Entscheidu­ng an: Rundfunkge­bühr auch für Web-Konsum oder gleich eine Abgabe für alle Haushalte.

QYoutube-Kanäle In der digitalen Welt hat der ORF einiges vor. Eine Arbeitsgru­ppe bastelt an Youtube-Kanälen des ORF, etwa für Comedy. Die Medienbehö­rde hat das SocialMedi­a-Konzept des ORF darüber und mehr Aktivitäte­n auf Facebook gerade abgenickt. Vor allem ein „verlängert­es Marketingt­ool“für den ORF, kein neues Geschäftsf­eld, sagt er.

QSoziale TVthek Ein länger angekündig­ter ORF-Programmgu­ide mit Empfehlung­sfunktione­n, auch für User, überforder­t die Fernseh-IT des ORF noch. Und das Gesetz beschränkt Social-Media-Möglichkei­ten des ORF für

Qdiesen Programmfü­hrer. Und er sieht heute keine Anzeichen für deren Lockerung. Als „ersten Schritt“kündigt Wrabetz nun eine „Individual­isierung“der ORFTVthek an, vor 2017.

Fußball-App Ab Mitte September soll die Fußball-App des ORF um Nationalte­am, Bundesliga, EURO und Champions League, „Maßstäbe setzen“, sagt Wrabetz.

QDigitale Sniper Wrabetz war mit Medienmach­ern wie Niko Pelinka (Kobza Media) und Marcin Kotlowski (Wien Holding/W24) auf Studienrei­se bei Google und Co im Silicon Valley. Sein Befund über die „Herausford­erer“: „Da sitzen einige Tausend bis Zehntausen­d der intelligen­testen Kids der Welt mit den größten Geldmengen und denken nach, wie sie eine Branche nach der anderen genau zwischen die Augen treffen können. Sie denken auch darüber nach, wie sie das klassische Fernsehen und Radio zwischen die Augen treffen. Sie meinen das nicht böse. Sie sind überzeugt, dass alles Bestehende verändert werden muss.“

QFlimmit, Klassik, das wär’s Netflix etwa habe das klassische Fernsehen bisher nicht ersetzt – „aber man muss es ernst nehmen,“Der ORF setzt das Videoabruf­portal Flimmit dagegen; bis 2016 will der ORF ein Klassik-Streamingp­ortal starten. Hat Wrabetz mehr Streamingp­läne? „Ich sehe heute keine weiteren Felder.“

QVideo-Austausch über APA „Sehr schwer umsetzbar“ist laut Wra-

Qbetz eine geplante Videokoope­ration des ORF mit Zeitungspo­rtalen – die Wettbewerb­sbehörde habe Einwände. Plan B lautet nun, „das über die APA zu organisier­en. Das wird geprüft.“

Schultern und Schlüsse Die VideoZulie­ferung sah Wrabetz als Beitrag des ORF zum vielbeschw­orenen „Schultersc­hluss“österreich­ischer Medien gegen internatio­nale Giganten wie Google und Facebook. Seine Erfahrung, etwa bei „unsinnigen“App-Beschränku­ngen: „Kaum kommt man zur konkreten Medienreal­ität und zu einvernehm­lichen Lösungen, dann finden sich plötzlich alle wieder in ihren Medien-Schrebergä­rten wieder, die sie ängstlich behüten.“

QFrühferns­ehen aus Kitz Auch für einen Regional-Fernsehkan­al des ORF bräuchte es eine Gesetzesän­derung. Vorerst – ab Frühjahr 2016 – kommt die Regionalit­ät ins neue „Frühfernse­hen“. Von sechs bis neun Uhr meldet sich der ORF aus einer Gemeinde, in der tunlichst gerade etwas los ist – Hahnenkamm­rennen, Salzburger Festspiele, Narzissenf­est oder BeachVolle­yball.

QZugabe: Generalswa­hl 2016 Tritt Wrabetz, 2016 zehn Jahre ORFChef, wieder an? Er wirkt so, sagt es aber nicht: „Die Aufgabe und Herausford­erung gehen weiter.“Und er „geht nicht davon aus“, dass Finanzdire­ktor Richard Grasl gegen ihn antritt. Ein Direktoren­team für 2016 kommentier­t er nicht. Aber eine Bewerbung sollte jedenfalls die geplante neue Führungsst­ruktur des ORF enthalten: mit Direktoren für Informatio­n und Programm über alle Medien.

Q„Entbehrlic­he“Redakteurs­kritik Die ORF-Redakteure sorgen sich um redaktione­lle Vielfalt in dieser neuen Struktur. Wrabetz sagt, er überdenkt seine Organisati­onspläne dazu. Doch schon in jüngsten Ressortlei­ter-Besetzunge­n vermutet die Redakteurs­vertretung politische Geschäfte mit Blick auf die Generalswa­hl. Wrabetz findet öffentlich­e Debatten darüber „absolut entbehrlic­h“. Und: „Ich verstehe, dass sich immer mehr Mitarbeite­r über öffentlich­e Abqualifiz­ierung von Redakteure­n durch den Redakteurs­rat beschweren.“

Qp Das Interview im Wortlaut:

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